... Forum Straßenverkehr - der Verkehrstalk im Web


Willkommen, Gast ( Anmelden | Registrierung )

35 Seiten V  « < 3 4 5 6 7 > »   
Reply to this topicStart new topic
> Radwegbenutzungspflichten: Radfahrer und Verwaltung, OT aus "Neue StVO - alte Verkehrszeichen ungültig?"
wernecmn
Beitrag 16.09.2012, 10:42
Beitrag #201


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 1093
Beigetreten: 01.04.2011
Wohnort: Gemeinde bei Erlangen
Mitglieds-Nr.: 58684



Zitat (Hane @ 14.09.2012, 17:10) *
Dummerweise haben Radwege nichts mit Sicherheit und Ordnung des Verkehrs zu tun. Oder meinst Du, der Verkehr wäre damit sicherer oder ordentlicher?

Der §45 StVO bezieht sich die grundsätzliche Voraussetzung für die Anordnung einer Verkehrsbeschränkung (meist: erhöhte Gefährdung). Dies bei stark befahrenen Hauptstraßen gegenüber Behörde und Verwaltungsgericht anzuzweifeln, halte ich (unabhängig von der eigenen Sichtweise) nicht für erfolgverprechend.

Um eine ganz andere Frage geht es bei der Beurteilung, ob die Maßnahme (Anordnung eines benutzungspflichtigen Radwegs) das Gefährdungspotential verringert. Dies hat aber mit §45 StVO nichts zu tun. Die Verwaltung darf vielmehr grundsätzich keine ungeeigneten Maßnahmen ergreifen. Ich habe gerade in einem konkreten Fall fehlende Sichtbeziehung bemängelt (Ergebnis bislang offen).
Go to the top of the page
 
+Quote Post
Replica
Beitrag 16.09.2012, 11:27
Beitrag #202


Mitglied
*****

Gruppe: Members
Beiträge: 299
Beigetreten: 11.06.2011
Wohnort: ST
Mitglieds-Nr.: 59794



Zitat (wernecmn @ 16.09.2012, 11:42) *
Dies bei stark befahrenen Hauptstraßen gegenüber Behörde und Verwaltungsgericht anzuzweifeln, halte ich nicht für erfolgverprechend.

Meist, weil die STVB'en sich stur stellen. 'Soll der doch vor Gericht gehen.' Hat noch lange nichts mit §45 zu tun.
Die Frage, die auch @granny gerne mal stellt, ist doch, warum das gerade *nur* auf Radfahrer zutrifft. Ich habe noch nie eine nachvollziehbare Begründung gehört/gelesen, die genau das mit einbezieht.
Mir sagt der Kreis (oder andere) gerne mal: 'Bzgl. Mofa etc sahen wir keinerlei Veranlassung für verkehrsrechtliche Maßnahmen', während man zu der RWBP an selbigem Ort sagt: 'Die Gefahr für Radfahrer ist uns viel zu groß', allein zu dem Warum kam nix.


--------------------
Symptom-Doktorei in Reinkultur:
"»Überall in der Stadt funktioniert es. Jetzt haben wir einen einzigen Radweg und es funktioniert nicht.« Der Bürgermeister schlug vor, auszuprobieren, ob die rote Markierung des Radwegs [...] eine Besserung bringt."
Go to the top of the page
 
+Quote Post
oscar_the_grouch
Beitrag 16.09.2012, 13:52
Beitrag #203


bekennender Pfostenumfahrer
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 9708
Beigetreten: 15.07.2005
Wohnort: Berlin
Mitglieds-Nr.: 11315



OT: Ich hoffe das Anhängen eines kurzfristigen TV Tips ist nicht zu sehr OT:

W wie Wissen
ARD Heute 17:00 Uhr


Kampfzone Verkehr
Moderation: Dennis Wilms
Mehr Radfahrer, mehr Autos - immer weniger Platz. Das wachsende Verkehrsaufkommen wird für alle Teilnehmer immer anstrengender: Autofahrer, Radfahrer, Fußgänger, jeder pocht auf seine Rechte.
Go to the top of the page
 
+Quote Post
wernecmn
Beitrag 16.09.2012, 16:55
Beitrag #204


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 1093
Beigetreten: 01.04.2011
Wohnort: Gemeinde bei Erlangen
Mitglieds-Nr.: 58684



Zitat (mgka @ 28.07.2012, 17:32) *
So, die Stellungnahme der Beklagtenvertretung (Landesanwaltschaft Bayern) lag heute im Briefkasten. Erwartungsgemäß reiten sie auf den Formalien rum. Das Schreiben vom 05.04.2012 des LRA Rosenheim fassen sie als Bescheid auf (warum hat das LRA dann das nicht oben drüber geschrieben?), dem kann ich folgen, allerdings muss ich jetzt aus der Untätigkeitsklage eine Anfechtungsklage machen.

Auch wenn meine Antwort auf diesen Beitrag etwas spät kommt: auch ein informelles Schreiben der Behörde ist ein Verwaltungsakt. Ein "Ihr Widerspruch ist unzulässig, wir haben dennoch geprüft" ist insoweit sehr positiv, weil sich die Frage nach Bestandskraft der Beschilderung aus dem Jahr 1998 jetzt nicht mehr stellt. Da eine Rechtsbehelfsbelehrung fehlt, kann gegen diesen Verwaltungsakt innerhalb von 12 Monaten Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben werden. Einziger Wehrmutstropfen: durch Einschaltung der Beklagtenvertretung fallen Anwaltskosten für die Gegenseite an, falls der Kläger unterliegt.
Go to the top of the page
 
+Quote Post
mgka
Beitrag 18.09.2012, 20:41
Beitrag #205


Mitglied
******

Gruppe: Members
Beiträge: 958
Beigetreten: 03.01.2008
Wohnort: München-Perlach
Mitglieds-Nr.: 39276



Das mit den Kosten ist mir neu. Warum sollte man als unterlegener Kläger für die Landesanwaltschaft bezahlen? Die ist doch ohnehin da. Das Landratsamt ist auch nicht Klagegegner (wie ich gedacht hatte), sondern der Freistaat Bayern, insofern dürfte das dann bei jedem Verfahren, wo ein LRA zuständige Verkehrsbehörde ist, dort landen.
Unter Berufung auf §51 (5) BayVwVfG habe ich das mit der Neuverbescheidung/Wiederaufnahme des Verfahrens im weiteren Sinne sowieso schon in einer Replik ans Gericht auseinander gedröselt: die geforderten zwei Stufen (1. Entscheidung der Behörde, ob erneut geprüft wird und 2. die eigentliche Sachprüfung) haben in meinem Fall definitiv stattgefunden, das bezweifelt nicht einmal mehr die Landesanwältin. Sie argumentiert aber nur mit §48 bzw. §49 BayVwVfG und meint, dass eine Rücknahme nur dann zwingend sei, wenn die Aufrechterhaltung "schlichtweg unerträglich" sei, was hier nicht zuträfe. Dass ich mittlerweile einen (Zweit-)Bescheid in der Hand habe, welchen ich binnen zwölf Monaten anfechten kann (die Rechtsbehelfbelehrung fehlt in der Tat), scheint sie nicht verstanden zu haben. Die Bestandskraft des (ursprünglichen) Verwaltungsakt ist jedenfalls überwunden.


--------------------
"Bei keiner anderen Erfindung ist das Nützliche mit dem Angenehmen so innig verbunden, wie beim Fahrrad." (Adam Opel)
Go to the top of the page
 
+Quote Post
wernecmn
Beitrag 18.09.2012, 22:07
Beitrag #206


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 1093
Beigetreten: 01.04.2011
Wohnort: Gemeinde bei Erlangen
Mitglieds-Nr.: 58684



Der Freistaat bzw. die stellvertretend handelnde Behörde schaltet nicht in allen Fällen die Landesanwaltschaft ein. Meine Aussage zu den Anwaltskosten könnte ehrlich gesagt/glücklicherweise fehlerhaft sein - der Hinweis, dass die Landesanwaltschaft ein Organ des Freistaats ist, klingt beruhigend. Dass gemäß §78 VwGO der Freistaat (oder die Gemeinde, je nach Straßentyp) der Beklagte ist, habe ich auch erst vor kurzem erfahren. Als Vorteil sehe ich, dass die unterschiedlichen Behörden eine "interne Angelegenheit" des Beklagten sind.
Go to the top of the page
 
+Quote Post
mgka
Beitrag 23.09.2012, 19:48
Beitrag #207


Mitglied
******

Gruppe: Members
Beiträge: 958
Beigetreten: 03.01.2008
Wohnort: München-Perlach
Mitglieds-Nr.: 39276



Zitat (mgka @ 12.09.2012, 09:25) *
Kleiner Update in Sachen Radwegbenutzungspflicht Frasdorf - Aschau i.Ch.: (...)

Die Sichtung der von Beklagtenseite bei Gericht eingereichten Unterlagen fördert das ein oder andere Interessante zu Tage. Es wurden auch diverse Aktenvermerke bzw. Sitzungsprotokolle der StVB vorgelegt.
In einem heißt es (für eine Behörde eine doch bemerkenswerte Erkenntnis laugh2.gif ):
Zitat
Nach Auffassung von Herrn K. wird die Aufhebung [der Radwegbenutzungspflicht] in der Praxis keine Rolle spielen, da die "Rennradler" sowieso schon immer auf der Straße gefahren seien, und die Ausflugs-/Familienfahrer weiterhin gerne auf dem Radweg bleiben würden.

Gut, gemeint ist die Fahrbahn und nicht die "Straße", aber genau darum geht es in der Klage: ich möchte als "Rennradler" (oder vielleicht als "geübter Radler") auf die Fahrbahn!
In der ursprünglichen, nach wie vor gültigen verkehrsrechtlichen Anordnung ist aber zu lesen:
Zitat
Diese Anordnung wird mit der Aufstellung oder Anbringung der amtlichen Verkehrszeichen und -einrichtungen wirksam und ist zu beachten. Vorsätzliche und fahrlässige Zuwiderhandlungen werden als Ordnungswidrigkeit verfolgt (§24 StVG i.V.m. §49 StVO).

Sicher, die Verfolgung erfolgt nach dem Opportunitätsprinzip, aber genau darauf kann ich mich ja als (Renn-)Radfahrer gemäß der derzeit angebrachten Beschilderung gerade nicht berufen.

Darüber hinaus ist ständig von einer "überproportional hohen Verkehrsbelastung" die Rede. Sind 6.504 DTV für eine Staats-/Landesstraße so viel? Die entsprechenden Straßen im Münchner "Speckgürtel" haben alle regelmäßig >10.000 DTV - aber längst nicht alle haben auch eine (benutzungspflichtige) Radverkehrsanlage.


--------------------
"Bei keiner anderen Erfindung ist das Nützliche mit dem Angenehmen so innig verbunden, wie beim Fahrrad." (Adam Opel)
Go to the top of the page
 
+Quote Post
wernecmn
Beitrag 23.09.2012, 20:38
Beitrag #208


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 1093
Beigetreten: 01.04.2011
Wohnort: Gemeinde bei Erlangen
Mitglieds-Nr.: 58684



Der DTV-Mittelwert für die Bayerischen Staatsstraßen gemäß SVZ 2010 sind 3.851 Kfz. Sind auf der fraglichen Stelle 100 km/h zugelassen?
Go to the top of the page
 
+Quote Post
mgka
Beitrag 23.09.2012, 21:37
Beitrag #209


Mitglied
******

Gruppe: Members
Beiträge: 958
Beigetreten: 03.01.2008
Wohnort: München-Perlach
Mitglieds-Nr.: 39276



Ja, keinerlei Einschränkung. In den Bestandsbildern von 2007 ist 80km/h bei Nässe zu sehen, aber offenbar wurde die Straße danach neu asphaltiert und daher die Beschränkung aufgehoben.
Für den LK Rosenheim liegt der Durchschnitt übrigens bei 6261 FZ, der Wert der streitgegenständlichen Straße ist damit nur geringfügig höher. Wobei man sich natürlich schon fragen kann, was denn diese Durchschnittswerte nun genau besagen.


--------------------
"Bei keiner anderen Erfindung ist das Nützliche mit dem Angenehmen so innig verbunden, wie beim Fahrrad." (Adam Opel)
Go to the top of the page
 
+Quote Post
wernecmn
Beitrag 24.09.2012, 06:04
Beitrag #210


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 1093
Beigetreten: 01.04.2011
Wohnort: Gemeinde bei Erlangen
Mitglieds-Nr.: 58684



Wenn ich als Verwaltungsrichter die Aufgabe hätte, zu entscheiden, ob hier ein erhöhtes Gefährdungspotential vorliegt, wie würde ich entscheiden? Selbst Granny bezeichnete die Aussage "Eine Strecke mit hohen Geschwindigkeitsunterschieden ist gefährlicher als eine ohne." als Binsenweisheit. Unfallstatistiken können helfen, allerdings nur nur bedingt, da sie die Zukunft nicht voraussagen.

Eine gerade, gut einsehbare Strecke (auch: Gegenverkehr) und gute Überholmöglichkeiten sprechen aus meiner Sicht allerdings gegen eine erhöhte Gefährdung. (Ich bin vor kurzem mit dem Auto über eine Staatsstraße im Waldgebiet gefahren, habe einen Radfahrer überholt und musste dabei feststellen, dass Gegenverkehr schneller da war als von mir zuvor eingeschätzt. Bei freier Strecke wäre mir das nicht passiert.)

Ob der gemeinsame Geh- und Radweg geeignet ist, die Gefährdung zu beseitigen, bewertet der Verwaltungsrichter erst im zweiten Schritt. Bei einer typischen Rennradstrecke kommt es zu hohen Geschwindigkeitsunterschieden auf der Radstrecke, was dort zu Unfällen führen könnte. Dies spricht dafür, dass es sicherer ist, die Rennradfahrer auf die Fahrbahn zu schicken. Mich würde interessieren, ob es einem Kläger gelingen kann, hier vor Gericht mit dem Beklagten einen Vergleich abzuschließen anstelle eine tatbestandliche Bewertung des Richters einzufordern.

Der dritte Punkt ist, ob der gemeinsame Geh- und Radweg zumutbar ist.

§ 45 StVO ist eine kann-Vorschrift, d. h. es liegt im Ermessen des Beklagten, ob er Radwege baulich anlegt.
Go to the top of the page
 
+Quote Post
fahrtenbuchführer
Beitrag 24.09.2012, 06:34
Beitrag #211


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 2044
Beigetreten: 21.01.2011
Mitglieds-Nr.: 57349



@ mgka
Gibts noch deine Klageschrift online oder möchtest du sie (immmer noch) nicht veröffentlichen? wavey.gif


--------------------
In dubio pro reo
Go to the top of the page
 
+Quote Post
mir
Beitrag 24.09.2012, 07:28
Beitrag #212


Mitglied
********

Gruppe: Foren-Insider
Beiträge: 24776
Beigetreten: 05.03.2007
Wohnort: Erlangen
Mitglieds-Nr.: 29238



Ein hoher Geschwindigkeitsunterschied läßt sich auch abbauen, indem man die Höchstgeschwindigkeit senkt.


--------------------
redonner sa grandeur à l'europe!
Go to the top of the page
 
+Quote Post
Acki
Beitrag 24.09.2012, 07:39
Beitrag #213


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 2705
Beigetreten: 29.06.2005
Mitglieds-Nr.: 10819



Zitat (mir @ 24.09.2012, 08:28) *
indem man die Höchstgeschwindigkeit senkt.

Höhere Geschwindigkeiten können aber (z.B. zum schnelleren Verkehrsabfluß aus dem Ort heraus) gewünscht sein.

gruß Acki
Go to the top of the page
 
+Quote Post
mgka
Beitrag 24.09.2012, 07:49
Beitrag #214


Mitglied
******

Gruppe: Members
Beiträge: 958
Beigetreten: 03.01.2008
Wohnort: München-Perlach
Mitglieds-Nr.: 39276



Zitat (fahrtenbuchführer @ 24.09.2012, 07:34) *
@ mgka
Gibts noch deine Klageschrift online oder möchtest du sie (immmer noch) nicht veröffentlichen? wavey.gif

Ups, vergessen, wollte ich ja schon längst bereitgestellt haben:
- Klageschrift (Beklagte ist falsch, muss der Freistaat Bayern sein, hat das Gericht entsprechend geändert)
- Replik auf die Antwort der Landesanwaltschaft (letztere muss ich noch einscannen)

Kommentare erwünscht rolleyes.gif


--------------------
"Bei keiner anderen Erfindung ist das Nützliche mit dem Angenehmen so innig verbunden, wie beim Fahrrad." (Adam Opel)
Go to the top of the page
 
+Quote Post
mir
Beitrag 24.09.2012, 07:52
Beitrag #215


Mitglied
********

Gruppe: Foren-Insider
Beiträge: 24776
Beigetreten: 05.03.2007
Wohnort: Erlangen
Mitglieds-Nr.: 29238



Eigentlich muß im Verwaltungsrecht, wenn Interessen kollidieren, die Maßnahme gewählt werden, die

a) eher den Störer als den Gestörten betrifft, wenn eine Gefahr überhaupt erst durch rechtswidriges Verhalten entsteht und

b) für alle insgesamt weniger einschneidend ist


Solange sich der Autoverkehr an die Verkehrsregeln hält, entsteht dem Radverkehr kaum eine Gefahr, und umgekehrt ebenso. Punkt a) spricht also sehr dafür, den Autoverkehr einzuschränken, denn die Gefahr wird erst durch einen Bruch der Verkehrsregeln der Autofahrer hervorgerufen.

Bei b) kommt es auf den Zustand des Radweg an, wie stark der Fußgängerverkehr ist, welche Geschwindigkeit der Radverkehr auf der Fahrbahn und auf dem Radweg so fahren kann. Dazu müßte in die Entscheidung noch eingehen, wie stark der Fußgängerverkehr beeinträchtigt wird.




--------------------
redonner sa grandeur à l'europe!
Go to the top of the page
 
+Quote Post
granny
Beitrag 24.09.2012, 09:34
Beitrag #216


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 2790
Beigetreten: 02.09.2005
Mitglieds-Nr.: 12606



Zitat (mir @ 24.09.2012, 08:28) *
Ein hoher Geschwindigkeitsunterschied läßt sich auch abbauen, indem man die Höchstgeschwindigkeit senkt.

"Hohe erlaubte Geschwindigkeit" (und ein daraus resultierender großer Geschwindigkeitsunterschied) ist sowieso kein Faktor, der Radverkehr _speziell_ gefährdet. Es ist auch nichts, wo ein muskelgetriebenes Fahrzeug den Verkehrsfluss des Schnellverkehrs stärker stört als ein motorisiertes Langsamfahrzeug. Ein Fahrbahnverot ist daher für den einzelnen Radfahrer ebensowenig gerechtfertigt, wie für den einzelnen Mofafahrer. Dafür, dass es mehr Rad- als Mofafahrer gibt, kann der einzelne Radfahrer ebensowenig, wie es das Verdienst des einzelnen Mofafahrers ist, dass es nur so wenige andere Mofafahrer gibt. "Sippenhaft" sollte in Deutschland kein salonfähiges Kriterium für eine Verwaltungsentscheidung sein.

Hinzu kommt, dass Überholfehler mit Radfahrerbeteiligung auch im Mischverkehr immer nur eine winzige Minderheit aller Unfälle ausmachen, und dass daher die durch die hohen Geschwindigkeiten verursachten massiven Probleme in ihrer Gesamtheit (Alleinunfälle, KFZ-KFZ-Unfälle im Überhol- und Gegenverkehr, Vorrang- und Vorfahrtfehler) durch Fahrbahnverbote für den Radverkehr keineswegs signifikant kleiner werden.

Und letztlich sei angefügt, dass die Kennzeichnung der Sonderwege auch praktisch keinen messbaren Unterschied in deren (Nicht-)Benutzung ausmacht. Dies dürfte ja erst recht auf schnell und stärker befahrenen Strecken gelten.
Go to the top of the page
 
+Quote Post
mir
Beitrag 24.09.2012, 09:48
Beitrag #217


Mitglied
********

Gruppe: Foren-Insider
Beiträge: 24776
Beigetreten: 05.03.2007
Wohnort: Erlangen
Mitglieds-Nr.: 29238



Aus der Gegend zwischen Greifswald und Stralsund hab ich auch schon erste Versuche gesehen, das umzusetzen. Da gibt's dann Mindesttempo 30 und eine Kopfsteinpflasterstraße nebendran für Trecker, Mofas und Fahrradfahrer.

Kommt dann sehr auf die Windrichtung an, wo man als Fahrradfahrer fahren darf wink.gif


--------------------
redonner sa grandeur à l'europe!
Go to the top of the page
 
+Quote Post
granny
Beitrag 24.09.2012, 10:07
Beitrag #218


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 2790
Beigetreten: 02.09.2005
Mitglieds-Nr.: 12606



Zitat (mir @ 24.09.2012, 10:48) *
Aus der Gegend zwischen Greifswald und Stralsund hab ich auch schon erste Versuche gesehen, das umzusetzen. Da gibt's dann Mindesttempo 30 und eine Kopfsteinpflasterstraße nebendran für Trecker, Mofas und Fahrradfahrer.

Auch solche Konstrukte müssen sich an § 45 Abs. 9 StVO messen lassen, und diese Maßnahme mit "das allgemeine Risiko erheblich übersteigenden besonderen örtlichen Umständen" zu rechtfertigen, dürfte nochmal deutlich schwerer werden, als bei Blauschildern (wo es bei rationaler Betrachtung schon nahezu unmöglich ist).
Go to the top of the page
 
+Quote Post
wernecmn
Beitrag 24.09.2012, 20:45
Beitrag #219


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 1093
Beigetreten: 01.04.2011
Wohnort: Gemeinde bei Erlangen
Mitglieds-Nr.: 58684



Zitat (mgka @ 24.09.2012, 08:49) *
Kommentare erwünscht

Die Möglichkeit einer Anfechtungsklage wird gemäß Bundesverwaltungsgericht dadurch wieder eröffnet, dass die Widerspruchsbehörde über sein Überprüfungs- und Aufhebungsbegehren in der Sache entschieden hat, ohne sich auf die Bestandskraft der Regelung zu berufen. Die Behörde schrieb am 05.04.2012: Wir weisen darauf hin, dass ... Ihnen gegenüber bestandskräftig geworden ist. Trotzdem haben wir ... Ihr Schreiben zum Anlass genommen, ... nochmals zu überprüfen.

Die Diskussion um die generelle Sinnhaftigkeit der Radwegbenutzungspflicht ist eine politische Diskussion. Das Verwaltungsgericht dagegen muss berücksichtigen, dass eine Radwegbenutzungspflicht in Deutschland angeordnet werden darf, wenn die örtlichen Voraussetzungen vorliegen. Sollte die Verwaltung nachvollziehbar belegen, dass das Verkehrsaufkommen doppelt so hoch ist wie normal (und bei regelmäßigem! Stau auf der A8 noch höher) und dass auf der Strecke aus einem konkreten Grund überdurchschnittlich viele Geschwindigkeitsverstöße festzustellen sind, dann kann der Richter dies nicht einfach ignorieren. Die Strecke geht gemäß Satellitenbild teilweise etwas kurvig durch Waldgebiet, wo die Sichtverhältnisse tendenziell schlechter sind als auf freier Strecke. Vor und nach dem Wald sehe ich eine gerade Strecke. Ob es hier Sichtbehinderung durch Steigungen/Gefälle (Kuppeln) gibt, kann ich nicht beurteilen. Im bekannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hatten wir es mit 2.500 Kfz/Tag und einer 70 km/h-Geschwindigkeitsbegrenzung zu tun.

Auch wenn der beklagte Freistaat Bayern kein Wort über die (weitestgehend) uneingeschränkte Geeignetheit der Radverkehrsanlage verliert, würde ich die mangelnde Eignung, die bisher in der Klageschrift vom 07.05.2012 und der Replik vom 20.08.2012 wenig zur Geltung kommt, stärker betonen, und zwar mit konkretem Ortsbezug! Gemeinsame Geh- und Radwege sind außerorts Standard, da hier in der Regel nicht viel los ist.
  • Warum ist das nicht unwesentliche Gefälle für Radfahrer auf dem 2m breiten geteerten Weg ein Problem?
  • Ist der Tunnel wirklich unzumutbar?

Die Wendelstein-Rundfahrt findet einmal im Jahr statt. Vielleicht könnten die Initiatoren im nächsten Jahr eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 StVO beantragen? An dem Tag sind viele Radfahrer unterwegs, kann man da nicht Vorsorge treffen?
Go to the top of the page
 
+Quote Post
granny
Beitrag 24.09.2012, 21:10
Beitrag #220


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 2790
Beigetreten: 02.09.2005
Mitglieds-Nr.: 12606



Zitat (wernecmn @ 24.09.2012, 21:45) *
Sollte die Verwaltung nachvollziehbar belegen, dass das Verkehrsaufkommen doppelt so hoch ist wie normal (und bei regelmäßigem! Stau auf der A8 noch höher) und dass auf der Strecke aus einem konkreten Grund überdurchschnittlich viele Geschwindigkeitsverstöße festzustellen sind, dann kann der Richter dies nicht einfach ignorieren. Die Strecke geht gemäß Satellitenbild teilweise etwas kurvig durch Waldgebiet, wo die Sichtverhältnisse tendenziell schlechter sind als auf freier Strecke. Vor und nach dem Wald sehe ich eine gerade Strecke. Ob es hier Sichtbehinderung durch Steigungen/Gefälle (Kuppeln) gibt, kann ich nicht beurteilen.

Alles was du hier schreibst, schreit förmlich danach, mit Überholverboten und Tempolimits den Kraftverkehr vor sich selber zu schützen.

Ohne zusätzliche Umstände, die für Radfahrer ein besonderes Risiko begründen, das erheblich über die genannten Pauschalrisiken hinausgeht, kann man hier jedenfalls keine § 45-konforme Benutzungspflicht anordnen.
Go to the top of the page
 
+Quote Post
wernecmn
Beitrag 24.09.2012, 21:14
Beitrag #221


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 1093
Beigetreten: 01.04.2011
Wohnort: Gemeinde bei Erlangen
Mitglieds-Nr.: 58684



Ich will vor allem nicht, dass mgka zum Gerichtstermin geht und dann von der Gegenseite oder Auffassung des Richters überrascht wird.
Go to the top of the page
 
+Quote Post
fahrtenbuchführer
Beitrag 24.09.2012, 21:48
Beitrag #222


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 2044
Beigetreten: 21.01.2011
Mitglieds-Nr.: 57349



Zitat (mgka @ 24.09.2012, 08:49) *
Kommentare erwünscht rolleyes.gif


Was mir bis jetzt aufgefallen ist: Nicht §2 sondern § 2 - liest sich besser wavey.gif


--------------------
In dubio pro reo
Go to the top of the page
 
+Quote Post
mgka
Beitrag 24.09.2012, 23:18
Beitrag #223


Mitglied
******

Gruppe: Members
Beiträge: 958
Beigetreten: 03.01.2008
Wohnort: München-Perlach
Mitglieds-Nr.: 39276



Zitat (wernecmn @ 24.09.2012, 22:14) *
Ich will vor allem nicht, dass mgka zum Gerichtstermin geht und dann von der Gegenseite oder Auffassung des Richters überrascht wird.

Das ist mir schon klar. Die sachlichen Gründe werde ich in einer weiteren Replik noch nachschieben, nachdem ich vor knapp zwei Wochen erst bei der Akteneinsicht war. Die erste Antwort enthielt ja im wesentlichen verwaltungsrechtliche Aspekte.


--------------------
"Bei keiner anderen Erfindung ist das Nützliche mit dem Angenehmen so innig verbunden, wie beim Fahrrad." (Adam Opel)
Go to the top of the page
 
+Quote Post
mgka
Beitrag 25.09.2012, 12:48
Beitrag #224


Mitglied
******

Gruppe: Members
Beiträge: 958
Beigetreten: 03.01.2008
Wohnort: München-Perlach
Mitglieds-Nr.: 39276



Zitat (wernecmn @ 24.09.2012, 21:45) *
Die Möglichkeit einer Anfechtungsklage wird gemäß Bundesverwaltungsgericht dadurch wieder eröffnet, dass die Widerspruchsbehörde über sein Überprüfungs- und Aufhebungsbegehren in der Sache entschieden hat, ohne sich auf die Bestandskraft der Regelung zu berufen. Die Behörde schrieb am 05.04.2012: Wir weisen darauf hin, dass ... Ihnen gegenüber bestandskräftig geworden ist. Trotzdem haben wir ... Ihr Schreiben zum Anlass genommen, ... nochmals zu überprüfen.

Was heißt das denn jetzt Deiner Meinung nach? Ist der Bescheid denn nicht anfechtbar, weil sie sich auf die Bestandskraft des ursprünglichen Bescheids berufen haben? Das wäre ja aber sehr einfach, wenn sich Behörden auf diese Art und Weise vor der verwaltungsgerichtlichen Überprüfbarkeit ihrer Entscheidungen drücken könnten. Wenn sie sich auf die Bestandskraft berufen, dürfen sie meiner Meinung nach keine (erneute) Sachentscheidung treffen. Sie müssten aber begründen, warum sie sich auf die Bestandskraft berufen und das Verfahren nicht wieder aufgreifen möchten ("pflichtgemäßes Ermessen").
Zitat
Die Diskussion um die generelle Sinnhaftigkeit der Radwegbenutzungspflicht ist eine politische Diskussion.

Zweifellos, da kann man in einem VG-Verfahren nicht drüber diskutieren.
Zitat
Das Verwaltungsgericht dagegen muss berücksichtigen, dass eine Radwegbenutzungspflicht in Deutschland angeordnet werden darf, wenn die örtlichen Voraussetzungen vorliegen. Sollte die Verwaltung nachvollziehbar belegen, dass das Verkehrsaufkommen doppelt so hoch ist wie normal (und bei regelmäßigem! Stau auf der A8 noch höher)

Auf dem Abschnitt der A8 gibt es selten Stau. Außerdem hat mir die zuständige Polizeidienststelle auf Anfrage mitgeteilt, dass die Straße den zusätzlichen Verkehr bei Sperrung der Autobahn "in der Regel durchaus aufzunehmen vermag". Das klingt anders als in der Klagereplik, wo steht, dass der Verkehr "zusammenbreche". Über die Sperrungen wird nicht Buch geführt, es ist nicht bekannt, wie oft diese Umleitungsstrecke ("U77") überhaupt in Anspruch genommen wird.
Zitat
und dass auf der Strecke aus einem konkreten Grund überdurchschnittlich viele Geschwindigkeitsverstöße festzustellen sind, dann kann der Richter dies nicht einfach ignorieren. Die Strecke geht gemäß Satellitenbild teilweise etwas kurvig durch Waldgebiet, wo die Sichtverhältnisse tendenziell schlechter sind als auf freier Strecke. Vor und nach dem Wald sehe ich eine gerade Strecke.

Überdurchschnittlich viele Verstöße? Es wurde zunächst einmal nur der Spitzenreiter zitiert (~80% über zHg). Eine Statistik über die genau Anzahl und Höhe der Geschwindigkeitsübertretungen habe ich weder von der zuständigen Stelle erhalten, noch hat der Beklagte sie dem Gericht vorgelegt (in den Akten findet sich nichts). Ich hoffe doch, dass diesem Störer im polizeirechtlichen Sinne nicht nur ein Bußgeldbescheid in doppelter Höhe - Vorsatz - ins Haus geflattert ist, sondern dass die StVB auch weitere Maßnahmen gemäß Fahrerlaubnisverordnung zumindest geprüft hat.
Zitat
Ob es hier Sichtbehinderung durch Steigungen/Gefälle (Kuppeln) gibt, kann ich nicht beurteilen. Im bekannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hatten wir es mit 2.500 Kfz/Tag und einer 70 km/h-Geschwindigkeitsbegrenzung zu tun.

Es waren sogar nur 60km/h. Aber letzten Endes gilt es das jetzt auch einmal "auszutesten": Im Umkehrschluss hieße das ja, dass man an allen auch nur mäßig belasteten Bundes-/Landes-/Staats-/Ortsverbindungsstraßen ohne benutzungspflichtige Radverkehrsanlage entweder das Radfahren verbieten müsste (geht wegen der straßenrechtlichen Widmung normalerweise nicht) oder aber wirksame Maßnahmen auf der Fahrbahn ergreifen müsste, um z.B. das Geschwindigkeitsniveau zu senken. Wird das konsequent gemacht? In den mir bekannten Teilen von Oberbayern jedenfalls nicht.

Zitat
Die Wendelstein-Rundfahrt findet einmal im Jahr statt. Vielleicht könnten die Initiatoren im nächsten Jahr eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 StVO beantragen? An dem Tag sind viele Radfahrer unterwegs, kann man da nicht Vorsorge treffen?

Wird nicht passieren, ich habe mich mit dem Organisator der Rundfahrt getroffen, der ist froh, wenn ihm das LRA nicht allzu viele Steine für die Genehmigung der Rundfahrt in den Weg legt, das kann ich verstehen. Im übrigen wird ja den Teilnehmern auch die Pulkbildung untersagt (gut, dazu ist derzeit ein Verfahren vor dem VG Augsburg anhängig, das auch hier eine Rolle spielen könnte). Und wenn wir schon bei den Ausnahmen sind: dann bitte auch am 1. Mai (da sind immer so viele "Torkelradler" unterwegs) und auch am Vatertag (so viele Besoffene mit dem Bollerwagen...). M.a.W.: so etwas führt zu nichts.


--------------------
"Bei keiner anderen Erfindung ist das Nützliche mit dem Angenehmen so innig verbunden, wie beim Fahrrad." (Adam Opel)
Go to the top of the page
 
+Quote Post
wernecmn
Beitrag 25.09.2012, 17:12
Beitrag #225


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 1093
Beigetreten: 01.04.2011
Wohnort: Gemeinde bei Erlangen
Mitglieds-Nr.: 58684



Zur Bestandskraft

Es ist leider im Verwaltungsrecht so, dass ein rechtswidriger Verwaltungsakt mit den einfachen Rechtsbehelfen nicht mehr angegriffen werden kann, wenn er bestandskräftig geworden ist. Ein Rechtsanspruch auf Aufhebung gemäß §§ 48f BayVwVfG existiert nicht ("kann"). Nur dann, wenn die Aufrechterhaltung schlechthin unerträglich ist (wie immer sich das definiert), gibt es einen strikten Rücknahmeanspruch.

Mir fällt aber auf, dass die Behörden in den meisten Fällen einem Antrag auf Überprüfung und Neubescheid durchaus nachkommen, zumal sie entsprechend der Verwaltungsvorschriften zu § 45 Absatz 3 StVO die Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen sowieso regelmäßig überprüfen müssen.

Ob die Behörden von den oberen Verwaltungsgerichten hierzu angehalten werden, ob es das schlechten Gewissen ist (weil die letzte Prüfung mehr als 10 Jahr zurück lag) oder ob die Sachbearbeiter im Dienst des Bürgers keine Verweigerungshaltung demonstrieren möchten, weiß ich nicht. Vielleicht kennt sich jemand anders hier gut aus.

In Deinem Fall drückt das trotzdem für mich aus, dass man sich gerade nicht auf die Bestandskraft berufen hat, sondern eine neuerliche Überprüfung der Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen durchgeführt (= neuer Verwaltungsakt) und das Ergebnis Dir dann mitgeteilt hat.
Go to the top of the page
 
+Quote Post
fahrtenbuchführer
Beitrag 26.09.2012, 11:56
Beitrag #226


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 2044
Beigetreten: 21.01.2011
Mitglieds-Nr.: 57349



Neue Entscheidung zugunsten der Radler auch aus Berlin:
http://www.rechtsindex.de/verkehrsrecht/27...t-100-m-strasse


--------------------
In dubio pro reo
Go to the top of the page
 
+Quote Post
mgka
Beitrag 26.09.2012, 13:26
Beitrag #227


Mitglied
******

Gruppe: Members
Beiträge: 958
Beigetreten: 03.01.2008
Wohnort: München-Perlach
Mitglieds-Nr.: 39276



Zitat (wernecmn @ 25.09.2012, 18:12) *
Zur Bestandskraft (...)

Naja, am Ende des Tages ist es mir ja egal, ob §48, 49 oder 51 BayVwVfG zum Tragen kommt, Hauptsache ich habe einen Bescheid, gegen den ich mit Hilfe einer Anfechtungsklage vorgehen kann.

Zitat (fahrtenbuchführer @ 26.09.2012, 12:56) *
Neue Entscheidung zugunsten der Radler auch aus Berlin:
http://www.rechtsindex.de/verkehrsrecht/27...t-100-m-strasse

100m - mühsam ernährt sich das Eichhörnchen!
Ich kenne die Örtlichkeiten nicht im Detail, aber ist am Ernst-Reuter-Platz eine atypisch hohe Gefährdung von Radfahren auf der Fahrbahn wirklich "ohne weiteres zu bejahen"?
Zitat
Die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts hob die Anordnung der Radwegebenutzungspflicht auf. Die nach der Straßenverkehrsordnung hierfür erforderliche, auf besondere örtliche Verhältnisse zurückzuführende Gefahrenlage bestehe hier nicht. Sie sei zwar für den Ernst-Reuter-Platz selbst wegen der dortigen Verkehrsbelastung (30.000 bis 40.000 Kraftfahrzeuge in 24 Stunden) ohne Weiteres zu bejahen, (...)

Vom ADFC-Bundesverband gibt es so genannte "Arbeitshilfen" (AH), welchen Aktiven vor Ort an die Hand gegeben werden, um ggf. Argumentationsmaterial für Behörden zu haben. Seit kurzem gibt es da eine AH zur ERA 2010, worin ich folgenden interessanten Abschnitt zum Thema "Verkehrsbelastung" fand:
Zitat
3. Diagramme zur Vorauswahl von geeigneten Führungsformen (ERA S. 19)
Die Belastungsbereiche zur Vorauswahl von Radverkehrsführungen in Bild 7 und Bild 8 der ERA sind nicht ausreichend mit Forschungsergebnissen abgesichert. Dies gilt insbesondere für die Bereiche III und IV. Denn vielfach sind auch stark befahrene Straßen mit relativ hoher Kfz-Geschwindigkeit nicht auffällig bezüglich des Unfallrisikos. So gibt es bis heute keine Studie, die einen objektiven Sicherheitsvorteil von Radwegen auch bei hohen Verkehrsstärken oder hohen Geschwindigkeiten nachgewiesen hätte, wohingegen u. a. die BASt-Studie V93 gezeigt hat, dass der Radverkehr innerorts auch bei Verkehrsstärken bis zu 40.000 Kfz/Tag sicher auf mehrspurigen Fahrbahnen geführt werden kann. Insofern ist das Diagramm in seiner Grundintention zwar nachvollziehbar, kann aber insbesondere nicht allein zur Begründung einer Radwegebenutzungspflicht im Bereich III oder IV dienen. Dies wird im Text der ERA in Kapitel 2.3.3 und Kapitel 2.3.6 deutlich beschrieben und wurde auch vor Einführung der ERA im Jahr 2009 immer wieder von deren Mitautoren betont. In jedem Fall muss sich eine Radwegebenutzungspflicht stets an § 45 (9) StVO messen lassen und kann nicht nur unter Berufung auf die Bilder 7 und 8 angeordnet werden.
Insofern ergeben sich die Belastungsbereiche III und IV in erster Linie aus dem subjektiven Sicherheitsempfinden der Mehrheit der Verkehrsteilnehmer. Dies bedeutet aber auch, dass die meisten Radfahrenden hier freiwillig die Radwege nutzen und eine Benutzungspflicht schon deshalb nicht erforderlich ist. Das von den ERA-Autoren angestrebte Trennprinzip wird somit weitestgehend auch ohne Benutzungspflicht erreicht (vgl. Abb. 2, S. 3., roter Kasten). Die Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht ist daher aus Sicht des ADFC auch bei hohen Verkehrsstärken nicht erforderlich und sollte von den ADFC-Gliederungen nicht vertreten werden. Statt benutzungspflichtigen Radwegen sollten stets nicht benutzungspflichtige Radwege angelegt werden. Statt Radfahrstreifen können Schutzstreifen (in gleicher Breite wie der geplante Radfahrstreifen!) auch dann angelegt werden, wenn die Kernfahrbahn so breit ist, wie eine gewöhnliche Fahrbahn. Halteverbote auf den Schutzstreifen können dann jedoch ggf. erforderlich sein. (...)

Ergo: die Verkehrsbelastung allein macht noch keine Benutzungspflicht notwendig!


--------------------
"Bei keiner anderen Erfindung ist das Nützliche mit dem Angenehmen so innig verbunden, wie beim Fahrrad." (Adam Opel)
Go to the top of the page
 
+Quote Post
granny
Beitrag 26.09.2012, 15:43
Beitrag #228


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 2790
Beigetreten: 02.09.2005
Mitglieds-Nr.: 12606



Zitat (wernecmn @ 25.09.2012, 18:12) *
Mir fällt aber auf, dass die Behörden in den meisten Fällen einem Antrag auf Überprüfung und Neubescheid durchaus nachkommen, zumal sie entsprechend der Verwaltungsvorschriften zu § 45 Absatz 3 StVO die Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen sowieso regelmäßig überprüfen müssen.

Das ist im Hinblick auf die Bestandskraft der entscheidende Punkt. Bei einer Baugenehmigung, einem Steuerbescheid oder der Auszahlung von Arbeitslosengeld ist es z.B. ganz praktisch, wenn man sich als Bürger darauf verlassen kann, dass nach einer gewissen Frist die Verwaltung ihre Entscheidung nicht mehr widerrufen darf. laugh2.gif
Eine staatliche Bestandsgarantie ist bei Verkehrsanordnungen angesichts der dynamisch wechselnden Bedingungen aber weder für den einzelnen Bürger noch für das Gemeinwesen als ganzes sinnvoll - und dank der VwV StVO eben auch mit gutem Grund gar nicht vorgesehen.

Zitat (fahrtenbuchführer @ 26.09.2012, 12:56) *

Daraus zitiert:
Zitat
"[Die besondere Gefahrenlage] sei zwar für den Ernst-Reuter-Platz selbst wegen der dortigen Verkehrsbelastung (30.000 bis 40.000 Kraftfahrzeuge in 24 Stunden) ohne Weiteres zu bejahen"

Wie immer die zwei großen Mysterien:
Was machen die 40.000 Kraftfahrer bei einem Fahrbahnradler anders als bei einem Fahrbahnmofafahrer?
Und warum sind 40.000 KFZ für einen Radwegradler ungefährlicher als für einen Fahrbahnradler (noch dazu auf einem Kreisverkehr - örks)?
Go to the top of the page
 
+Quote Post
mgka
Beitrag 26.09.2012, 16:22
Beitrag #229


Mitglied
******

Gruppe: Members
Beiträge: 958
Beigetreten: 03.01.2008
Wohnort: München-Perlach
Mitglieds-Nr.: 39276



Zitat (granny @ 26.09.2012, 16:43) *
Das ist im Hinblick auf die Bestandskraft der entscheidende Punkt. Bei einer Baugenehmigung, einem Steuerbescheid oder der Auszahlung von Arbeitslosengeld ist es z.B. ganz praktisch, wenn man sich als Bürger darauf verlassen kann, dass nach einer gewissen Frist die Verwaltung ihre Entscheidung nicht mehr widerrufen darf. laugh2.gif

Diese Verwaltungsakte unterscheiden sich aber in einem zentralen Punkt von verkehrsrechtlichen Anordnungen (welche ja "Allgemeinverfügungen" sind): sie haben in aller Regel einen (einzigen) direkten Adressaten. Bei Verkehrszeichen/verkehrsrechtlichen Anordnungen ist das ja nun anders: die richten sich an alle Verkehrsteilnehmer. Und spätestens seit den beiden Urteilen des BVerwG vom 23.09.2010 (Az. 3C 32.09 / 3 C 37.09) ist klar: eine solche Anordnung wird niemals allen Verkehrsteilnehmer gegenüber bestandskräftig und damit unanfechtbar, denn (mindestens) einen wird es immer geben, welcher weniger als ein Jahr von dieser Anordnung persönlich betroffen sein wird. Insofern ist das Herumreiten auf der Bestandskraft in diesem Fall sowieso albern.


--------------------
"Bei keiner anderen Erfindung ist das Nützliche mit dem Angenehmen so innig verbunden, wie beim Fahrrad." (Adam Opel)
Go to the top of the page
 
+Quote Post
wernecmn
Beitrag 26.09.2012, 17:23
Beitrag #230


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 1093
Beigetreten: 01.04.2011
Wohnort: Gemeinde bei Erlangen
Mitglieds-Nr.: 58684



Zitat (granny @ 26.09.2012, 16:43) *
Aus dem Urteil zitiert:
Zitat
"[Die besondere Gefahrenlage] sei zwar für den Ernst-Reuter-Platz selbst wegen der dortigen Verkehrsbelastung (30.000 bis 40.000 Kraftfahrzeuge in 24 Stunden) ohne Weiteres zu bejahen"

Wie immer die zwei großen Mysterien:
Was machen die 40.000 Kraftfahrer bei einem Fahrbahnradler anders als bei einem Fahrbahnmofafahrer?
Und warum sind 40.000 KFZ für einen Radwegradler ungefährlicher als für einen Fahrbahnradler (noch dazu auf einem Kreisverkehr - örks)?

Die lokale Gefahrenlage für den Fahrbahnradler hängt überhaupt nicht davon ab, wie groß die Gefahrenlage für Mofafahrer an derselben Stelle ist oder ob die Gefahr auf dem GehRadweg höher oder geringer ist.
Go to the top of the page
 
+Quote Post
fahrtenbuchführer
Beitrag 26.09.2012, 18:13
Beitrag #231


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 2044
Beigetreten: 21.01.2011
Mitglieds-Nr.: 57349



Zitat (mgka @ 26.09.2012, 17:22) *
Insofern ist das Herumreiten auf der Bestandskraft in diesem Fall sowieso albern.


Ja - nur eben genau die Person muss auch dagegen vorgehen wink.gif


--------------------
In dubio pro reo
Go to the top of the page
 
+Quote Post
granny
Beitrag 26.09.2012, 19:23
Beitrag #232


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 2790
Beigetreten: 02.09.2005
Mitglieds-Nr.: 12606



Zitat (wernecmn @ 26.09.2012, 18:23) *
Die lokale Gefahrenlage für den Fahrbahnradler hängt überhaupt nicht davon ab, wie groß die Gefahrenlage für Mofafahrer an derselben Stelle ist oder ob die Gefahr auf dem GehRadweg höher oder geringer ist.

Von der relativen Gefahrenlage hängt aber die rechtsstaatliche Rechtfertigung für das Ergreifen einer Maßnahme zu Lasten der Radfahrer ab. Ansonsten könnte man auch kurzerhand für silberne VW Golf (oder, ganz plump gesagt, Neger [tm]) oberhalb einer Mindest-DTA eine vermeintlich erhöhte Gefahrenlage postulieren, und die Straße für sie sperren.

Deutschland ist doch keine Bananenrepublik. ranting.gif
Go to the top of the page
 
+Quote Post
wernecmn
Beitrag 26.09.2012, 20:15
Beitrag #233


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 1093
Beigetreten: 01.04.2011
Wohnort: Gemeinde bei Erlangen
Mitglieds-Nr.: 58684



Also, wenn für silberne VW Golf ein lokales Gefahrenpotential besteht, beispielsweise weil ihnen auf neu geteerten Straßen ständig der Rollsplit den teuren Lack runiert, dann * kann * die Verkehrsbehörde durchaus geeignete zumutbare Maßnahmen ergreifen, um der Gefahr ein Ende zu bereiten. Wenn dieselbe Maßnahme bei blauen Peugeot dagegen nicht hilft, hat man zumindest die Golf gerettet.
Go to the top of the page
 
+Quote Post
Acki
Beitrag 26.09.2012, 20:50
Beitrag #234


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 2705
Beigetreten: 29.06.2005
Mitglieds-Nr.: 10819



Zitat (mgka @ 26.09.2012, 14:26) *
Ich kenne die Örtlichkeiten nicht im Detail, aber ist am Ernst-Reuter-Platz eine atypisch hohe Gefährdung von Radfahren auf der Fahrbahn wirklich "ohne weiteres zu bejahen"?

Ich kenne den Ernst-Reuter-Platz und, ja, ich denke schon.

Zitat (granny @ 26.09.2012, 16:43) *
Was machen die 40.000 Kraftfahrer bei einem Fahrbahnradler anders als bei einem Fahrbahnmofafahrer?

Dort fährt kein Mofa (auf der Fahrbahn) dem sein Leben lieb ist. Wer kann meidet das Chaos dort eh.

Zitat (granny @ 26.09.2012, 16:43) *
Und warum sind 40.000 KFZ für einen Radwegradler ungefährlicher als für einen Fahrbahnradler (noch dazu auf einem Kreisverkehr - örks)?

Keine Fahrspurwechsel (5 Fahrspuren) nötig. Feindlicher Abbiegeverkehr ist durch Ampeln gestoppt.

gruß Acki
Go to the top of the page
 
+Quote Post
granny
Beitrag 26.09.2012, 21:51
Beitrag #235


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 2790
Beigetreten: 02.09.2005
Mitglieds-Nr.: 12606



Zitat (Acki @ 26.09.2012, 21:50) *
Zitat (granny @ 26.09.2012, 16:43) *
Was machen die 40.000 Kraftfahrer bei einem Fahrbahnradler anders als bei einem Fahrbahnmofafahrer?

Dort fährt kein Mofa (auf der Fahrbahn) dem sein Leben lieb ist. Wer kann meidet das Chaos dort eh.

Wir halten fest: Mofafahren ist dennoch nicht verboten. Ergo kann es auch nicht notwendig sein, dieses Verbot für den Radverkehr auszusprechen. Zumal, wie du selbst sagst, die Leute das Chaos bereits freiwillig meiden. Wo 99 % der Autofahrer freiwillig mit angepasster Geschwindigkeit fahren, verbietet § 45 auch die Anordnung eines Tempolimits.

Zitat
Zitat (granny @ 26.09.2012, 16:43) *
Und warum sind 40.000 KFZ für einen Radwegradler ungefährlicher als für einen Fahrbahnradler (noch dazu auf einem Kreisverkehr - örks)?

Keine Fahrspurwechsel (5 Fahrspuren) nötig. Feindlicher Abbiegeverkehr ist durch Ampeln gestoppt.

"Fünf Fahrspuren" klingt nach mehr als es in der Praxis ist. Als Radfahrer kreuzt man maximal zwei Spuren. Das ist innerstädtisch der Normalfall, und dank Kreisverkehr und Ampelregelung gerade hier nun wirklich kein außergewöhnliches Problem. Dass ängstliche Gemüter sich damit überfordert fühlen, ist jedenfalls zumindest noch lange kein Grund, das Fahren Allen kategorisch zu verbieten.
Und auch wenn sich der erhoffte Sicherheitsgewinn einstellt, bleibt die Anordnung der Benutzungspflicht immer noch willkürliche Diskriminierung. Nämlich mindestens auch eine Diskriminierung des Mofa- und Kleinkraftradverkehrs, dem die Option, diesen genialen Schutz wahrnehmen zu müssen verweigert wird, und der darüber hinaus noch nicht einmal die Möglichkeit erhält, sich auf freiwilliger Basis in den vermeintlichen Schutzraum am Straßenrand zu flüchten.
Go to the top of the page
 
+Quote Post
mgka
Beitrag 26.09.2012, 22:12
Beitrag #236


Mitglied
******

Gruppe: Members
Beiträge: 958
Beigetreten: 03.01.2008
Wohnort: München-Perlach
Mitglieds-Nr.: 39276



Ich muss mich @grannys Meinung anschließen: das bloße Behaupten, dass es eine Gefährdung geben könnte, reicht nicht. Was es braucht, sind objektive und nachvollziehbare Gründe, warum das Radfahren auf der Fahrbahn dort gefährlich ist (und nicht nur "sein soll"). Nichts anderes sagt ja auch der Auszug aus der ADFC-Arbeitshilfe, den ich weiter oben zitiert habe.
Ich bin vor zwei oder drei Jahren in Berlin im Kreisverkehr an der Siegessäule trotz Benutzungspflicht auf der Fahrbahn gefahren. Ich empfand das als völlig unproblematisch. Die Ampelregelung dort für Radfahrer auf dem Radweg ist ja nicht zum Aushalten. Ich fahre auch in München abschnittsweise auf dem Mittleren Ring mit dem Fahrrad - zumindest an einer Stelle sogar "gezwungenermaßen". Auch das geht mit dem entsprechenden Selbstbewusstsein völlig problemlos (sicherlich gäbe es es "schönere" Wege nach Hause, aber es ist der direkteste und schnellste).


--------------------
"Bei keiner anderen Erfindung ist das Nützliche mit dem Angenehmen so innig verbunden, wie beim Fahrrad." (Adam Opel)
Go to the top of the page
 
+Quote Post
wernecmn
Beitrag 27.09.2012, 05:59
Beitrag #237


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 1093
Beigetreten: 01.04.2011
Wohnort: Gemeinde bei Erlangen
Mitglieds-Nr.: 58684



Die Meinung des ADFC wird vom Verkehrsministerium nicht geteilt: Auf Straßen außerhalb geschlossener Ortschaften mit zulässiger Höchstgeschwindigkeit von bis zu 100 km/h bedürfe es der Trennung des Radverkehrs vom Kraftfahrzeugverkehr. Erfahrungsgemäß steige mit dem Verkehrsaufkommen und der Fahrgeschwindigkeit auch das Unfallrisiko. [Bundesratsdrucksache 428/12, Seite 116]

Nachdem sich der Richter diese beiden Positionen angehört hat, muss er anhand der vorliegenden unvollständigen Fakten und seiner Lebenserfahrung beurteilen, ob hier auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse objektiv eine gegenüber dem allgemeinen Risiko deutlich erhöhte Gefährdung der Sicherheit vorliegt oder nicht.

Heute Morgen rief mich übrigens der silberne Golffahrer an und schmiss mich aus dem Bett. Er klang ziemlich sauer. „Die haben dort jetzt Tempo 60 angeordnet!“ klagte er ins Telefon. „Und“, meinte ich, „was macht Dein Lack?“ – „Den hat’s nicht erwischt, aber es ist doch unzumutbar, dass ich mit meinem Golf GTI so langsam fahren muss.“
Go to the top of the page
 
+Quote Post
granny
Beitrag 27.09.2012, 08:16
Beitrag #238


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 2790
Beigetreten: 02.09.2005
Mitglieds-Nr.: 12606



Zitat (wernecmn @ 27.09.2012, 06:59) *
Heute Morgen rief mich übrigens der silberne Golffahrer an und schmiss mich aus dem Bett. Er klang ziemlich sauer. „Die haben dort jetzt Tempo 60 angeordnet!“ klagte er ins Telefon. „Und“, meinte ich, „was macht Dein Lack?“ – „Den hat’s nicht erwischt, aber es ist doch unzumutbar, dass ich mit meinem Golf GTI so langsam fahren muss.“

Bei Nacht steigt erfahrungsgemäß die Vergewaltigungsgefahr.

Neulich beschwerte sich mein Nachbar darüber, dass der Bürgermeister eine nächtliche Ausgangssperre für Blondinen erlassen habe, und dass seine Frau jetzt immer zu Hause bleiben müsse, während ihre rothaarige Freundin nach wie vor auf die Straße dürfte. "Und?" fragte ich ihn, "ist deine Frau in letzter Zeit mal vergewaltigt worden?" "Nicht auf der Straße." "Siehste, funktioniert doch". whistling.gif
Go to the top of the page
 
+Quote Post
mgka
Beitrag 27.09.2012, 08:53
Beitrag #239


Mitglied
******

Gruppe: Members
Beiträge: 958
Beigetreten: 03.01.2008
Wohnort: München-Perlach
Mitglieds-Nr.: 39276



Zitat (wernecmn @ 27.09.2012, 06:59) *
Die Meinung des ADFC wird vom Verkehrsministerium nicht geteilt: Auf Straßen außerhalb geschlossener Ortschaften mit zulässiger Höchstgeschwindigkeit von bis zu 100 km/h bedürfe es der Trennung des Radverkehrs vom Kraftfahrzeugverkehr. Erfahrungsgemäß steige mit dem Verkehrsaufkommen und der Fahrgeschwindigkeit auch das Unfallrisiko. [Bundesratsdrucksache 428/12, Seite 116]

Du meinst vermutlich diesen Abschnitte (stand so auch schon 2009 in der Vorlage):
Zitat
Anders ist es hingegen generell auf Straßen außerhalb geschlossener Ortschaften mit zulässiger Höchstgeschwindigkeit von bis zu 100 km/h und auf Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) innerhalb geschlossener Ortschaften, auf denen Höchstgeschwindigkeiten von 50 km/h (teilweise 70 km/h) zulässig sind und das Verkehrsaufkommen überdurchschnittlich hoch ist. Erfahrungsgemäß steigt mit dem Verkehrsaufkommen und der Fahrgeschwindigkeit auch das Unfallrisiko. Hier bedürfen die schwächeren ungeschützten Radfahrerinnen und Radfahrer daher eines eigenen Verkehrsraumes, der im Interesse der Verkehrssicherheit nicht nur freiwillig, sondern zwingend zu benutzen ist. Beispiele unzulänglich ausgestatteter Radwege oder Radwegeführungen im Kreuzungsbereich mahnen, die erforderlichen Veränderungen und Verbesserungen vorzunehmen, sind aber nicht geeignet, die Radwegebenutzungspflicht an Straßen mit hoher Verkehrsbelastung oder -bedeutung in Frage zu stellen.

Wissenschaftliche Belege für dieses "erfahrungsgemäß"? Fehlanzeige, sie bräuchten ja nur mal in die amtlichen Unfallstatistiken schauen. Aber wieso Fakten präsentieren, wenn man mit subjektiven Gefühlen schon punkten kann?
Und diese "Mahnung" im letzten Satz ist ja an Zynismus kaum zu überbieten: wo werden denn bereits existierende, "unzulängliche" Radwege entlang von außerörtlichen Straßen nachträglich verbessert? Ich kenne hier in Oberbayern genau einen einzigen Fall (800m langer Gehwegabschnitt enlang der B318 am Tegernsee). Und durch die Kürzung von Geldern, wie gerade vom Bund beschlossen, werden diese Unzulänglichkeiten noch in 100 Jahren mahnen. Nach wie vor geht es darum, überhaupt irgend einen Radweg zu bauen (den dann der Bürgermeister/Landrat/Parteibonze/... mit viel Trara einweihen kann). Allein die Länge zählt, nicht die Qualität. Schlechte Radwege werden nicht verbessert, damit ist doch kein Blumentopf zu gewinnen.


--------------------
"Bei keiner anderen Erfindung ist das Nützliche mit dem Angenehmen so innig verbunden, wie beim Fahrrad." (Adam Opel)
Go to the top of the page
 
+Quote Post
granny
Beitrag 27.09.2012, 09:22
Beitrag #240


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 2790
Beigetreten: 02.09.2005
Mitglieds-Nr.: 12606



Zitat (mgka @ 27.09.2012, 09:53) *
Wissenschaftliche Belege für dieses "erfahrungsgemäß"? Fehlanzeige, sie bräuchten ja nur mal in die amtlichen Unfallstatistiken schauen. Aber wieso Fakten präsentieren, wenn man mit subjektiven Gefühlen schon punkten kann?

Hierzu ganz interessant:
Zitat (Antwort der Bundesregierung auf eine kleine parlamentarische Anfrage der Fraktion der Grünen im Februar 2012, Drucksache 17/8560)
Frage: "Welche waren im Zeitraum 2002 bis 2010 die Hauptunfallursachen für Unfälle zwischen Fahrradfahrern und Kraftfahrzeugen, bei denen Fahrradfahrer/-innen getötet oder schwer verletzt wurden?"

Antwort der Bundesregierung: "Die gewünschten Angaben sind aus dem vorliegenden Tabellenprogramm der Straßenverkehrsunfallstatistik nicht zu ermitteln."

Wir wissen nicht, warum wir etwas wollen. Aber dafür wollen wir das mit ganzer Kraft!

Keine weiteren Fragen, Euer Ehren.
Go to the top of the page
 
+Quote Post
wernecmn
Beitrag 27.09.2012, 23:17
Beitrag #241


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 1093
Beigetreten: 01.04.2011
Wohnort: Gemeinde bei Erlangen
Mitglieds-Nr.: 58684



Auffallend ist, dass die Vorlage des Ministeriums (@mgka: danke für den Hinweis auf 2009, war mir neu) außerorts bei 100 km/h im Gegensatz zu innerorts die Benutzungspflicht generell sieht und nicht auf weitere lokale Gegebenheiten abzielt. Diese Interpretation ist aus meiner Sicht aber rechtlich nicht korrekt.

mgka könnte vor Gericht darauf hinzuweisen, dass auf der Staatsstraße das Verkehrsvolumen dem Durchschnitt in Oberbayern entspricht und die Straße auch sonst unauffällig ist, und dass die Behörde in der Vergangenheit reichlich untätig war (hat mgka schon geschrieben). Falls der Richter selbst kein Rennradfahrer ist, könnte mgka ausführlich erläutern, was Rennradfahrer am Radweg stört. Ich selbst fahre viel lieber auf den getrennten Wegen, weil es dort ruhiger ist - Menschen haben halt unterschiedliche Prioritäten.

Bei der Betrachtung von Kfz/Rad-Überholunfällen wird meist nicht darüber gesprochen, was die konkreten Unfalfolgen sind. Solange der Radfahrer nicht unter die Räder des Kfz kommt, passiert ihm nicht mehr als bei einem Sturz aufgrund rutschigem Fahrbahnbelag etc., wenngleich auch dieser natürlich schwere Folgen haben kann.
Go to the top of the page
 
+Quote Post
granny
Beitrag 28.09.2012, 09:33
Beitrag #242


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 2790
Beigetreten: 02.09.2005
Mitglieds-Nr.: 12606



Zitat (wernecmn @ 28.09.2012, 00:17) *
Bei der Betrachtung von Kfz/Rad-Überholunfällen wird meist nicht darüber gesprochen, was die konkreten Unfalfolgen sind.

Das Schweigen beginnt doch schon damit, dass alle Welt stillschweigend die Gleichsetzung "außerörtliches Unfallrisiko des Radverkehrs = Rammstoßgefahr durch rücksichtslos überholende Autofahrer" unterstellt. Dabei ist erstens dieser Bruchteil der Gesamtunfälle auch außerorts nur ein eher kleiner Posten, und zweitens ist im Gegensatz dazu gerade für den Kraftverkehr "unter sich" das unachtsame Überholen außerorts einer der Killer schlechthin.
Die Konsequenz aus dieser Tatsache ist, dass eine Maßnahme, die einzig und allein die Unfallursache "Überholfehler" bekämpft, dem Radverkehr erstens nicht wirlich hilft, und zweitens gerade beim Radverkehr am wenigsten erforderlich ist.

Wir hatten 2007 nach dieser Quelle 46 tödliche Radfahrerunfälle außerorts, die durch die drei benutzungspflicht-relevanten Ursachen "Auffahren auf fahrendes Fahrzeug", "seitliches Berühren beim Überholen" oder "Frontalzusammenstoß beim Entgegenkommen" bedingt waren. Das entsprach nur 26 % aller tödlichen Radfahrerunfälle außerorts. Beim KFZ-Verkehr waren dies 1026 Personen bzw. 35%, bei Motorrädern 269 bzw. 44 %. Bei Schwerverletzten sieht es grundsätzlich ähnlich aus. [Wenn jemand meint, dass diese Zahlen doch den Effekt der Radwege belegen, dem stimme ich gerne zu: Radwege erhöhen unnötigerweise das Risiko eines fatalen Vorrangfehlers oder Alleinunfalls ganz erheblich... wavey.gif]

Gäbe es da nicht den verlockenden "Mehrwert", dass die Fahrbahnverbote den Autoverkehr beschleunigen helfen sollen (der sich bei rationaler Analyse immer wieder als der einzige Nutzen entpuppt), würde kein Schwein an das Unfallrisiko des Radverkehrs auf der Landstraße einen Gedanken verschwenden.
Go to the top of the page
 
+Quote Post
mgka
Beitrag 28.09.2012, 11:30
Beitrag #243


Mitglied
******

Gruppe: Members
Beiträge: 958
Beigetreten: 03.01.2008
Wohnort: München-Perlach
Mitglieds-Nr.: 39276



Zitat (wernecmn @ 28.09.2012, 00:17) *
Auffallend ist, dass die Vorlage des Ministeriums (@mgka: danke für den Hinweis auf 2009, war mir neu) außerorts bei 100 km/h im Gegensatz zu innerorts die Benutzungspflicht generell sieht und nicht auf weitere lokale Gegebenheiten abzielt. Diese Interpretation ist aus meiner Sicht aber rechtlich nicht korrekt.

Natürlich ist dies rechtlich in dieser Pauschalität nicht haltbar. Offenbar ist diese "Begründung" eine Nebelkerze, denn dass die Juristen im BMVBS das BVerwG-Urteil vom November 2010 nicht kennen, kann ich nicht glauben (sie werden es vielleicht nicht mögen, aber das ist allein ihr Problem).
Die Hinweise sind sehr hilfreich für die sachliche Begründung meiner Klage, auch der Hinweis von @granny auf die BASt-Studie M209. Besten Dank.


--------------------
"Bei keiner anderen Erfindung ist das Nützliche mit dem Angenehmen so innig verbunden, wie beim Fahrrad." (Adam Opel)
Go to the top of the page
 
+Quote Post
wernecmn
Beitrag 03.10.2012, 12:57
Beitrag #244


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 1093
Beigetreten: 01.04.2011
Wohnort: Gemeinde bei Erlangen
Mitglieds-Nr.: 58684



Das VG Ansbach hat den Urteilstext der Verwaltungsstreitsache AN 10 K 11.01571 vom 18.06.2012 zur Radwegbenutzungspflicht entlang der B8/Münchener Straße in Nürnberg im Internet veröffentlicht.

Im Urteilstext (Seite 8) findet sich unter anderem folgende Klarstellung:

Zitat
Das so verstandene Rechtsschutzziel konnte der Kläger als Anfechtungsklage und, soweit diese ... wegen Versäumung der Jahresfrist gemäß § 58 Abs. 2 VwGO unzulässig sein sollte (vgl. grundlegend: BVerwG, Urteil vom 18.11.2010 - 3 C 42/09 <juris>; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.2.2011 - 5 S 2285/09 <juris>) wohl jedenfalls als Verpflichtungsklage auf Tätigwerden der Beklagten im oben verstandenen Sinne insgesamt zulässig verfolgen (vgl. hierzu auch VG Gelsenkirchen, Urteil vom 1.12.2009 , 14 K 5458/08 <juris>).


Aufgefallen ist mir eine Diskrepanz zwischen der Einschätzung des Klägers (Seite 6) und der des Gerichts (u. a. Pressemitteilung) zur Qualität der Radwegverkehrsanlage.

Eine erste Übersicht des Straßenumfelds findet sich hier.
Go to the top of the page
 
+Quote Post
mir
Beitrag 03.10.2012, 14:51
Beitrag #245


Mitglied
********

Gruppe: Foren-Insider
Beiträge: 24776
Beigetreten: 05.03.2007
Wohnort: Erlangen
Mitglieds-Nr.: 29238



Mir scheint eher, daß das Gericht der Meinung ist, daß es auf die Qualität der Radwege gar nicht ankomme. Entscheidend für die RWBP sei die Gefahrenlage,die Qualität der Radwege hat das Gericht nicht interessiert.

Das Gericht ist auf die ERA (2010) nicht eingegangen, sondern geht aus eigener Anschauung davon aus, daß hier eine besondere Gefahr besteht: „Eine Radwegbenutzungspflicht, wenn nicht hier, wo dann?“

Ich finde diese Logik angreifbar; eine Gefahrenlage läßt sich nicht unmittelbar sinnlich wahrnehmen. Stattdessen kann sie auf Statistiken oder auf Beurteilung der Lage gestützt werden. Erstere stützen sie nicht, letztere erfordert eine Expertise, die ich eher bei den Herausgebern der ERA vermute als bei Richtern. Das Gericht hätte also erörtern müssen, wieso lt. Kläger die ERA hier keine RWBP als sinnvoll erachten, und warum das hier anders sein soll.





--------------------
redonner sa grandeur à l'europe!
Go to the top of the page
 
+Quote Post
hugo790
Beitrag 03.10.2012, 15:04
Beitrag #246


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 1000
Beigetreten: 24.08.2012
Wohnort: Köln
Mitglieds-Nr.: 65308



Mich würde der Beweisantrag interessieren, der abgelehnt wurde. Evtl. ging es ja da um die Statistiken/Gefahrenlage.

Seltsam finde ich das hier: "dass sie selbst das offensichtlich hohe Gefährdungspotential bei einer Fahrbahnbenutzung erkennen bzw. zutreffend abschätzen."

Die meisten Radfahrer schätzen aber ihr eigenes Unfallrisiko falsch ein. Garantiert, ohne wenn und aber.

Insgesamt hätte mich jedes andere Urteil überrascht, aber obiger Auszug überrascht mich auch.

Aber auch die Unfälle, es gibt keine Unfallschwerpunkte, nur die üblichen Abbiegeunfälle beim Überqueren der Radwege, die es quasi immer gibt....Das ist eben so.
Go to the top of the page
 
+Quote Post
Anton Gorodezki
Beitrag 03.10.2012, 18:45
Beitrag #247


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 2896
Beigetreten: 09.01.2006
Wohnort: Bielefeld
Mitglieds-Nr.: 15832



Mal völliges OT:

Ich überfliege so die Überschriften im Dies und Das und Lese prompt:

"Radfahrer und Vergewaltigung".....


--------------------
Le coeur a ses raisons que la raison ne connait pas. (Blaise Pascal)

because right is right, to follow right/Were wisdom in the scorn of consequence. (Tennyson)
Go to the top of the page
 
+Quote Post
wernecmn
Beitrag 03.10.2012, 19:52
Beitrag #248


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 1093
Beigetreten: 01.04.2011
Wohnort: Gemeinde bei Erlangen
Mitglieds-Nr.: 58684



Zitat (mir @ 03.10.2012, 15:51) *
Mir scheint eher, daß das Gericht der Meinung ist, daß es auf die Qualität der Radwege gar nicht ankomme. Entscheidend für die RWBP sei die Gefahrenlage,die Qualität der Radwege hat das Gericht nicht interessiert.

Dies ist mir auch aufgefallen. Voraussetzung für einen Verwaltungsakt ist aber immer auch, dass er zumutbar ist. Die in der VwV-StVO genannten Mindestbreiten sind ein objektiv messbares Kritierium, wann aus Sicht des Verordnungsgebers die Benutzung des Radweges nach der Beschaffenheit und dem Zustand zumutbar ist.
Go to the top of the page
 
+Quote Post
Mitleser
Beitrag 03.10.2012, 21:29
Beitrag #249


Mitglied
********

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 20363
Beigetreten: 16.10.2009
Mitglieds-Nr.: 50997



Zitat (mir @ 03.10.2012, 15:51) *
Mir scheint eher, daß das Gericht der Meinung ist, daß es auf die Qualität der Radwege gar nicht ankomme. Entscheidend für die RWBP sei die Gefahrenlage,die Qualität der Radwege hat das Gericht nicht interessiert.

Das Gericht ist auf die ERA (2010) nicht eingegangen, sondern geht aus eigener Anschauung davon aus, daß hier eine besondere Gefahr besteht: „Eine Radwegbenutzungspflicht, wenn nicht hier, wo dann?“
Das Gericht begeht hier nicht nur den eindeutigen Fehler, die Alternative nicht zu gewichten.
Wenn es der Meinung ist, dass auf der Fahrbahn nicht gefahren werden darf und die Alternativstrecken teilweise nicht den Anforderungen entspricht, hätte ein fahrbahnbezogenes Vz 254 angeordnet werden müssen, kein Vz 237/241. Denn bei Vz 237/241 und deren partieller Nichtigkeit (§ 44 BayVwVfG) [Glätte, Laub, ... aber auch falsche Führung, gefährliche Bauart, ...] darf man so trotz der angeblichen Gefahr auf der Fahrbahn radeln.

Inhaltlich halte ich für zweifelhaft:
  • "Auf Grund der Fahrbahnbreiten ist das Überholen eines auf der Fahrbahn fahrenden Radfahrers auch für einen PKW nur dann möglich, wenn er auf die zweite Spur der jeweiligen Fahrtrichtung wechselt." Aha, Überholen ist also möglich.
  • "... stehen die Verkehrsteilnehmer im gesamten Straßenzug während der „Rush-hour“ zudem regelmäßig im Stau, was Radfahrer veranlassen könnte, immer wieder gefährliche „Slalomfahrten“ zu versuchen." Rechtsüberholen ist erlaubt; Und mit Gefahr durch bestehenden Stau habe ich -im Gegensatz zur Gefahr durch Stauauslösung- so leichte Bedenken.
  • "Da - wie Beispiele andernorts (beispielsweise Fußgängerzonen) zeigen - die mit dem Rad am Verkehr teilnehmenden Personen sicher nicht generell nur wegen der vorhandenen Verkehrszeichen die Radewege benutzen, liegt als Begründung für die praktisch ausnahmslos fehlende Benutzung der dem Kraftverkehr vorbehaltenen Fahrbahnen durch Radfahrer im streitgegenständlichen Bereich nur der Schluss nahe, dass sie selbst das offensichtlich hohe Gefährdungspotential bei einer Fahrbahnbenutzung erkennen bzw. zutreffend abschätzen." Aus der Nutzung von Alternativen -und dem polemischen Einschlagen auf Radrüpel in FuZo- die Anerkennung einer behaupteten Gefahr herzuleiten ist kein Beweis sondern nur eine Möglichkeit.

Go to the top of the page
 
+Quote Post
mgka
Beitrag 03.10.2012, 23:26
Beitrag #250


Mitglied
******

Gruppe: Members
Beiträge: 958
Beigetreten: 03.01.2008
Wohnort: München-Perlach
Mitglieds-Nr.: 39276



Zitat (mir @ 03.10.2012, 15:51) *
Das Gericht ist auf die ERA (2010) nicht eingegangen, sondern geht aus eigener Anschauung davon aus, daß hier eine besondere Gefahr besteht: „Eine Radwegbenutzungspflicht, wenn nicht hier, wo dann?“

Aber das ist doch der springende Punkt hier: hätten die Richter die Benutzungspflicht in diesem Verfahren aufgehoben, so hätte man -endlich- die Radwegebenutzungspflicht auf die Müllhalde der deutschen Verkehrsgeschichte kippen können. Gut, eigentlich gehört sie da ja auch hin.

Ärgerlich ist in der Tat das bloße Behaupten einer Gefahr, welche wissenschaftlich keinesfalls belegt ist (siehe mein Posting weiter oben [Zitat aus den ADFC-Arbeitshilfen]).

@wernecmn: es ist zwar schön, dass das Gericht aus Gründen der "Prozessökonomie" nicht so sehr darauf herumreitet, ob es nun eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage sein soll, andererseits hat die Beklagte zum einen gesagt, sie habe innerhalb des letzten Jahres an der streitgegenständlichen Straße verkehrsrechtliche Anordnungen erlassen, zum anderen hat sie wohl sich in der mündlichen Verhandlung nicht länger auf die Bestandskraft berufen.

Soweit ich das verwaltungsrechtlich recherchieren konnte, ist nämlich längst nicht ausgeurteilt, ob bei einem bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakt zunächst eine Verpflichtungsklage gegen die Bestandskraft im Rahmen eines Wiederaufgreifens im weiteren Sinne und dann hinterher (bei erfolgreicher Klage) eine (weitere) Verpflichtungsklage bzw. Anfechtungsklage gegen den eigentlichen Verwaltungsakt angestrengt werden muss oder ob beides zusammen geht (Stichwort: Prozessökonomie).


--------------------
"Bei keiner anderen Erfindung ist das Nützliche mit dem Angenehmen so innig verbunden, wie beim Fahrrad." (Adam Opel)
Go to the top of the page
 
+Quote Post

35 Seiten V  « < 3 4 5 6 7 > » 
Reply to this topicStart new topic
1 Besucher lesen dieses Thema (Gäste: 1 | Anonyme Besucher: 0)
0 Mitglieder:

 



RSS Vereinfachte Darstellung Aktuelles Datum: 05.07.2025 - 05:30