... Forum Straßenverkehr - der Verkehrstalk im Web


Willkommen, Gast ( Anmelden | Registrierung )

 
Reply to this topicStart new topic
> Geschichte des Verkehrsstrafrechtes, Historische Frage zur Ahndung von Alkohol am Steuer
Trocadero
Beitrag 24.07.2010, 15:17
Beitrag #1


Neuling
**

Gruppe: Members
Beiträge: 48
Beigetreten: 06.03.2010
Wohnort: Köln
Mitglieds-Nr.: 53032



    
 
Wer kennt sich in der historischen Rechtswissenschaft aus? Nach meinem Kenntnisstand kann Alkohol im Blut seit dem Jahr 1930 medizinisch nachgewiesen werden. Seit wann wurde in Deutschland diese medizinische Erkenntnis für Promillekontrollen im Straßenverkehr angewandt? In welcher Zeit begann die Verkehrspolizei damit, das Blut von angetrunkenen Autofahrern durch einen Arzt - für Untersuchungszwecke - abnehmen zu lassen? Wann wurde die erste Promillegrenze für die absolute Fahruntüchtigkeit eingeführt, und wie hoch lag diese?

In einem alten Strafgesetzbuch vom 2. Januar 1965 lese ich etwas von einer 1,50 Promillegrenze im Straßenverkehr. Ältere Ausgaben des StGB habe ich selbst nirgendwo gefunden. Dann erfuhr ich noch, daß die Regierung von Willi Brandt im Sommer 1973 die relative Fahruntüchtigkeitsgrenze eingeführt haben würde. Diese Grenze lag von 1973 bis zum 30. April 1998 durchgehend bei 0,8 Promille. Die Grenze für die absolute Fahruntüchtigkeit wurde am 29. Juni 1990 -durch BGH Rechtsprechung- von 1,30 auf 1,10 Promille abgesenkt.

Weiß jemand, durch welche BGH-Rechtsprechung diese Grenze von 1,50 auf 1,30 Promille herabgesenkt worden war? Gab es vor dem Jahr 1965 für den Bereich der absoluten Fahruntüchtigkeit noch eine höhere Promillegrenze als 1,50 ?

Es ist wahnsinnig schwierig in Geschichtsbüchern darüber etwas ausfindig zu machen.

Viele Grüße

Thomas
Go to the top of the page
 
+Quote Post
Gast_Georg_g_*
Beitrag 24.07.2010, 18:41
Beitrag #2





Guests






Mit exakten Daten kann ich leider auch nicht dienen. Die absolute Fahruntüchtigkeit wurde in den 50er Jahren durch Studien der Universität Wien untersucht. Damals hat man festgestellt, dass ab einer BAK von 1,0 Promille die körperliche Leistungsfähigkeit so weit reduziert ist, dass man zum Führen von Fahrzeugen nicht mehr in der Lage ist, dass also hier die absolute Fahruntüchtigkeit stets angenommen werden kann, ohne dass es weiterer Beweise bedarf. Das war Anlass für die (deutsche) Rechtsprechung, die Grenze mit Sicherheitszuschlägen wegen eventueller Messungenauigkeiten auf 1,3 Promille festzulegen, die dann 1990 wegen verbesserter Messgenauigkeit auf 1,1 Promille geändert wurde.

Was mich wundert:

Zitat (Trocadero @ 24.07.2010, 16:17) *
In einem alten Strafgesetzbuch vom 2. Januar 1965 lese ich etwas von einer 1,50 Promillegrenze im Straßenverkehr.

War denn früher im StGB tatsächlich eine Promillegrenze genannt?
Go to the top of the page
 
+Quote Post
Doc aus Bückeburg
Beitrag 24.07.2010, 19:04
Beitrag #3


Mitglied
********

Gruppe: Foren-Insider
Beiträge: 21790
Beigetreten: 07.01.2004
Wohnort: ...ein kleines Dorf bei Bückeburg
Mitglieds-Nr.: 1228



Zitat (Georg_g @ 24.07.2010, 19:41) *
... War denn früher im StGB tatsächlich eine Promillegrenze genannt?


Weiß ich nicht.

Ich weiß aber, dass es in der Anfangszeit des Autos genau anders herum war:
Wenn ein Fahrer Mist gebaut hatte und angab, besoffen gewesen zu sein, dann erhielt er wegen mangelnder Zurechnungsfähigkeit zur Tatzeit mildernde Umstände whistling.gif

Doc


--------------------
Es gibt Dinge, die muss man glauben, um sie sehen zu können,
und es gibt Dinge, die muss man sehen, um sie glauben zu können.
Und dann gibt es noch ein paar Dinge, die kann man einfach nicht glauben, obwohl man sie sieht!
Go to the top of the page
 
+Quote Post
Berndi962
Beitrag 24.07.2010, 19:06
Beitrag #4


Mitglied
*******

Gruppe: Banned
Beiträge: 3690
Beigetreten: 26.06.2009
Wohnort: Bayrisch-Sibirien
Mitglieds-Nr.: 49164



Zitat (Trocadero @ 24.07.2010, 16:17) *
Weiß jemand, durch welche BGH-Rechtsprechung diese Grenze von 1,50 auf 1,30 Promille herabgesenkt worden war?

Das war 1966, ich glaube sogar, das hier im Verkehrsportal gelesen zu haben.


Zitat
Gab es vor dem Jahr 1965 für den Bereich der absoluten Fahruntüchtigkeit noch eine höhere Promillegrenze als 1,50 ?

Nie davon gehört... think.gif

Der BGH hat meiner Erinnerung nach (auch hier gelesen?) erstmalig 1953 verbindlich eine Grenze von einem Promille plus einem Zuschlag von 0,5 festgelegt.

Erste Senkung 1966 und an die zweite Senkung auf 1,1 Promille im Jahr 1990 kann ich mich sogar noch düster aus den damaligen Berichten erinnern.


--------------------
Das Recht auf Dummheit gehört zur Garantie der freien Entfaltung der Persönlichkeit. Mark Twain
Go to the top of the page
 
+Quote Post
Berndi962
Beitrag 24.07.2010, 19:44
Beitrag #5


Mitglied
*******

Gruppe: Banned
Beiträge: 3690
Beigetreten: 26.06.2009
Wohnort: Bayrisch-Sibirien
Mitglieds-Nr.: 49164



Zitat (Trocadero @ 24.07.2010, 16:17) *
Dann erfuhr ich noch, daß die Regierung von Willi Brandt im Sommer 1973 die relative Fahruntüchtigkeitsgrenze eingeführt haben würde. Diese Grenze lag von 1973 bis zum 30. April 1998 durchgehend bei 0,8 Promille.


Das stimmt so nicht.
Die relative Fahruntüchtigkeit wurde bereits 1961 durch ein BGH-Urteil festgelegt.

Was 1973 eingeführt wurde, war die 0,8 Promillegrenze als Ordnungswidrigkeit.


--------------------
Das Recht auf Dummheit gehört zur Garantie der freien Entfaltung der Persönlichkeit. Mark Twain
Go to the top of the page
 
+Quote Post
Trocadero
Beitrag 26.07.2010, 11:59
Beitrag #6


Neuling
**

Gruppe: Members
Beiträge: 48
Beigetreten: 06.03.2010
Wohnort: Köln
Mitglieds-Nr.: 53032



Was ich außerdem noch in Erfahrung gebracht habe, ist der Umstand, daß die Strafgerichte ursprünglich den Führerschein nicht entziehen durften, denn dies wurde als verwaltungsjuristische Angelegenheit betrachtet.

Nach einer Alkoholfahrt konnte ein Kraftfahrer -bei Überschreiten der damals geltenden Promillegrenze - zwar vom Amtsgericht mit Geld oder Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt werden. Der betroffene Autofahrer behielt aber seine Fahrerlaubnis. Nur wenn das zuständige Verwaltungsgericht einen Entzug der Fahrerlaubnis anstrengte, konnte in einem separaten Verfahren der Führerschein entzogen werden.

Im Verlauf der Zeit zeigte sich, daß die Verwaltungsgerichtsbarkeit sich mit diesen Entzugsverfahren überfordert fühlte und daher wurde die verwaltungsjuristische Aufgabe an die Strafgerichtsbarkeit delegiert. Das mit dem Führerscheinentzug im StGB vorhandene Paragraphenwerk ist eigentlich für die Strafgerichte eine fremde Rechtstätigkeit.

Nicht wenige Amts- und Landrichter wissen über diesen Umstand nicht genau Bescheid. Auch ist es für die Autofahrer ein Nachteil, wenn sie sich im Rahmen der Wiedererteilung mit den Verwaltungsgerichten herumstreiten müssen, denn diese Gerichtsbarkeit kennt sich mit den strafprozessualen Bestandteilen des Urteils nicht richtig aus.

Viele Grüße

Thomas
Go to the top of the page
 
+Quote Post

Reply to this topicStart new topic
1 Besucher lesen dieses Thema (Gäste: 1 | Anonyme Besucher: 0)
0 Mitglieder:

 



RSS Vereinfachte Darstellung Aktuelles Datum: 19.04.2024 - 22:41