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> Abbiegen und Vorfahrt im Kreuzungsbereich, Vorfahrt, Abbiegen und Fußgänger
Rolf Tjardes
Beitrag 09.01.2004, 19:07
Beitrag #1


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QUELLTEXT
[URL=http://www.verkehrsportal.de/board/index.php?showtopic=2856]FAQ: Abbiegen und Vorfahrt im Kreuzungsbereich[/URL]


P.S. "FAQ-Verlinkung": V.g. Code einfach markieren, kopieren und in jeweiliges Posting einfügen - fertig ist der Link :-)
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Rolf Tjardes
Beitrag 09.01.2004, 19:10
Beitrag #2


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Vorfahrt/Vorrang und Abbiegen in enger T-Einmündung:

Ausgangslage:



Schauen wir uns zunächst den § 8 nochmal genau an...

Zitat
An Kreuzungen und Einmündungen hat die Vorfahrt, wer von rechts kommt (§ 8 Abs. 1 Satz 1 StVO).


Die "Vorfahrt" gem. § 8 regelt dabei nur das verkehrsrechtliche Verhältnis zwischen zwei Fahrzeugen. Die Betrachtung erfolgt ausgehend von einem Fahrzeug und dem Verkehr, der aus Sicht dieses Fahrzeugs "von rechts kommt". Mehr steht nicht in § 8 Absatz 1 Satz 1.

Deshalb ist der enge Vorfahrtsbegriff des § 8 auf entgegenkommenden Verkehr (hier C aus Sicht von B) eindeutig nicht anwendbar, da dieser eben nicht "von rechts kommt". Vorfahrt gibt es in Bezug zu entgegenkommenden Fahrzeugen nach Definition einfach nicht.

§ 8 Absatz 1 Satz 1 regelt hier also nur das jeweilige direkte Bezugsverhältnis von Fahrzeug B zu Fahrzeug A und weist nur allein diesem gegenüber richtigerweise die "Vorfahrtsberechtigung" zu. Selbstverständlich gilt diese Betrachtung dann auch für das Verhältnis von A zu C. A hat Vorfahrt gegenüber C.

Nicht nur der BGH (hab leider nur den Leitsatz) hat diese Betrachtungsweise bestätigt:

Zitat
Die Vorfahrtsregelung betrifft nur das Verhältnis von Fahrzeugen zueinander, OLG Celle VM 75 58, Bayerisches Oberstes Landesgericht VRS 65 154 = StVE Nr. 63 sowie Bundesgerichtshof VR 70 328.


Aha! Das "Verhältnis von Fahrzeugen zueinander" ist also relevant...

Das rechtliche Verhältnis von B zu C (entgegenkommender Verkehr) regelt sich daher ausdrücklich durch § 9 Abs. 3 StVO und wird durch § 8 StVO überhaupt nicht berührt, geschweige denn an irgendeiner Stelle geregelt oder außer Kraft gesetzt. Entgegenkommende kommen eben nicht aus Sicht des Linksabbiegers B, wie durch § 8 bestimmt, "von rechts", so einfach ist das.

Das Vorfahrtsrecht des § 8 gilt allein nur zu jeweils solchen Fahrzeugen, zu denen der Vorfahrtberechtigte im direkten Bezugsverhältnis steht.

Im obigen Bildbeispiel gibt es dabei gleich mehrere Bezugsverhältnisse:
  • Vorfahrt gem. § 8 StVO: Verhältnis B zu A, Verhältnis A zu C
  • Vorrang gem. § 9 StVO: Verhältnis C zu B
Die Berechtigung zur "Vorfahrt", als Teilmenge des "Vorrangs", bezieht sich begrifflich also nur allein und abschließend auf Verkehrsituationen in Kreuzungen und Einmündungen mit Einzelverhältnissen jeweils "von rechts". So ist der § 8 eindeutig formuliert. Alles andere ist vergebliche Interpretation.

Fahrzeug B hat also gleichzeitig
  • "Vorfahrt" nur gegenüber das im direkten Bezugsverhältnis zueinander befindliche Fahrzeug A,
  • wie aber auch den "Vorrang" des im anderen Bezugsverhältnis zueinander befindlichen entgegenkommenden Verkehrs C zu achten.
Man kann also die "T-Einmündung" nicht allein mit dem Begriff "Vorfahrt" erschlagen weil Vorfahrt hier nur das Verhältnis zwischen B und A sowie A und C regelt. Das Vorrangrecht des Entgegenkommenden C gegenüber B ist davon per Vorfahrt-Definition überhaupt nicht berührt.

Man darf nicht den Fehler machen, von oben auf die Kreuzung/Einmündung zu schauen und demjenigen, der von rechts an die Kreuzung/Einmündung kommt, pauschal die Vorfahrtsrechte zuweisen. Nach der Vorfahrtsdefinition kommen hier nämlich zwei Fahrzeuge "von rechts".

Richtig ist vielmehr, dass § 8 nur zwischen solchen Fahrzeugen anwendbar ist die tatsächlich zueinander im (Einzel-)Verhältnis stehen, nämlich jeweils "von rechts". So u.a. der BGH und im Ergebnis richtig kommentierend auch Herr Schurig (Senatsrat bei der für Verkehr zuständigen Senatsverwaltung Berlin) in seinen Werken.

Auflösung:

Fahrzeug C muss/sollte bei "Stockungen" oder wie hier wegen Vorfahrtsrecht von Fahrzeug A auf den eigenen Vorrang gegenüber B verzichten. Grund: Gegenseitige Rücksicht, Vermeidung von Behinderung sowie Besondere Verkehrslage. Dies verlangt § 1 sowie die Spezialvorschrift des § 11 um den Verkehrsfluss aufrecht halten zu können. Deshalb empfiehlt sich ein Handzeichen an Fahrzeug B zur Bedeutung der Weiterfahrt bzw. Verzicht auf eigenen Vorrang durch Fahrzeug C. Fahrfolge: B - A - C.

Es geht aber auch anders. Würde Fzg. B auf die Einfahrt in den Einmündungsbereich verzichten (Verständigung B mit A), könnte sich die Verkehrssituation ebenfalls ganz elegant auflösen. Fahrfolge: A - C - B.

Der Beitrag wurde von Rolf Tjardes bearbeitet: 08.02.2004, 20:31
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Rolf Tjardes
Beitrag 09.01.2004, 19:16
Beitrag #3


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Ähnlicher Fall: Zwar keine T-Einmündung sondern breite Kreuzung ...

Auszug aus:

Kommentar zur StVO, Schurig/Wagner, 9. Auflage, Seite 77 § 8 Vorfahrt, Kirschbaum-Verlag

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Rolf Tjardes
Beitrag 09.01.2004, 19:19
Beitrag #4


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Achtung:

Das Thema Vorfahrt in T-Einmündung wird im Board derzeit kontrovers diskutiert. Momentan versuche ich weitere Informationen zu beschaffen -> Hier klicken ...

Gruss
Rolf :-)

--------------------

Nachtrag: Hier mein Schreiben an das BMVBW ...

Zitat
An das
Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Referat S 32 - Ordnung des Straßenverkehrs
Invalidenstraße 44
D-10115 Berlin


Sehr geehrte Damen und Herren,

als Betreiber eines Internet-Portals zu Themen des Straßenverkehrs [...] möchte ich mich - sozusagen in letzter Not - mit einer Frage an Sie wenden, die vor einigen Tagen in unseren Foren nahezu leidenschaftlich diskutiert wurde.

In der Diskussion geht es um die Frage der Vorfahrt / des Vorrangs in einer sog. engen "T-Einmündung".

Ausgangslage:
(Enge Einmündung ("T-Einmündung") ohne Verkehrs- oder Lichtzeichenregelung)


Die Auflösung dieser Verkehrssituation wurde durch unsere Foren-Besucher überraschend kontrovers diskutiert (ca. 170 Beiträge). Kurzum: Es bildeten sich in der Diskussion zwei Meinungsgruppen heraus, die ihre jeweiligen Positionen hartnäckig vertreten.

"Gruppe A": Fahrzeug B hat uneingeschränkt Vorfahrt auf alleiniger Grundlage von § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO und darf abbiegen. Fzg. C ist gegenüber B wartepflichtig. Fahrfolge: B - A - C.

"Gruppe B": Fahrzeug B hat zwar Vorfahrt vor Fzg. A (§ 8 Abs. 1 Satz 1 StVO), muss aber vor dem Abbiegen den Vorrang des entgegenkommenden Fahrzeugs C achten (§ 9 Abs. 3 Satz 1 StVO). Weiterfahrt erst nach gegenseitiger Verständigung (§ 1 StVO, ggf. § 11 Abs. 3 StVO; "Besondere Verkehrslage"), wobei Fzg. C ein Abbiegen von Fzg. B idealerweise durch handzeichen o.ä. ermöglichen sollte. Fahrfolge: erst nach Verständigung, B - A - C empfohlen.

[...]

Als Website-Betreiber bin ich selbstverständlich im Ergebnis daran interessiert, dass solche Diskussionen (zumindest abschließend) mit einem StVO-konformen Ergebnis enden.

Ich wäre daher über Ihre fachkompetente Meinung sehr erfreut. Ihre Antwort möchte ich - Ihr Einverständnis voraussetzend - in die lfd. Diskussion als "ultima ratio" einfügen.


Mit freundlichen Grüßen


Gruss
Rolf :-)
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Rolf Tjardes
Beitrag 06.02.2004, 16:47
Beitrag #5


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Hallo :-)

Mein Schreiben wurde inzwischen vom BMVBW beantwortet.

Fazit:

Vorfahrt (§ 8 StVO) und Vorrang (§ 9 StVO) gelten "selbstverständlich" parallel und schliessen sich nicht aus. In engen Einmündungen ist die Fahrfolge gem. § 11 StVO (gegenseitige Verständigung; Verzicht auf Vorrang) zu ermitteln.

Damit wurde die hier im Forum u.a. durch die hiesigen Stammposter "Uwe Brandt", "Uwe Kusnezow", "Uwe W.", "Matte", "Chris", "steveluke", "Tortenjan", "Peter Lustig" etc. vertretende Auffassung vom Ministerium bestätigt.

Zitat
Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Robert-Schuman-Platz 1
53175 Bonn


An
Grunert + Tjardes
Verkehrsportal.de GbR
Burgherrenstrasse 11

12101 Berlin



BETREFF: Vorfahrt in enger Einmündung
AZ: S 32/36.42.08/1 V 2004
DATUM: Bonn, 02.02.2004


Sehr geehrter Herr Tjardes,

für Ihr Schreiben vom 19.01.2004 danke ich Ihnen.

Selbstverständlich ist bei der Lösung Ihres Falles neben der Vorschrift des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO auch die Regelung des § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO heranzuziehen. Danach muss ein abbiegendes Fahrzeug entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen. Somit darf in Ihrem Beispiel Fahrzeug B bis zur Mitte der Einmündung vorfahren, jedoch nicht abbiegen, weil Fahrzeug C als Entgegenkommender Vorrang gegenüber B hat. C wiederum hat die Vorfahrt von Fahrzeug A zu beachten, welches nunmehr - hinter dem Heck von Fahrzeug B her - nach links abbiegen darf. Dann setzt Fahrzeug C seine Fahrt fort und zuletzt biegt Fahrzeug B ab.

Falls die Einmündung so eng ist, dass A nicht abbiegen kann, weil Fahrzeug B den Weg versperrt, muss einer der Fahrzeugführer auf seinen Vorrang verzichten (§ 11 Abs. 3 StVO). Dabei hängt es von der konkreten Verkehrslage ab, wer seinen Verzicht auszuüben hat. In jedem Falle darf auf einen Verzicht nur vertraut werden, wenn eine Verständigung mit dem Verzichtenden herbeigeführt worden ist. Neben Ihrem Vorschlag der Verständigung, wonach die Fahrzeuge in der Reihenfolge B - A - C fahren, kommt insbesondere auch in Betracht, dass Fahrzeug B auf seine Vorfahrt verzichtet, um die enge Einmündung nicht zu verstopfen (so auch der über den Verkehrsblatt-Verlag zu beziehende amtliche Fragenkatalog für die theoretische Fahrerlaubnisprüfung vom 20.05.1998, Führerschein B 3213, Frage 107 5 G - Kopie ist beigefügt).

Ich hoffe, die kontroverse Diskussion in Ihrem Verkehrsportal-Forum mit dieser Antwort zu einem zufrieden stellenden Abschluss zu bringen und wünsche Ihnen auch für die Zukunft ein erfolgreiches Wirken im Dienste der Sicherheit im Straßenverkehr.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
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Achim
Beitrag 28.03.2005, 15:57
Beitrag #6


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Fahrzeuge und Fußgänger im Kreuzungsbereich. Wie ist die Vorrangregel?
Ich habe mal versucht die Beziehung Fußgänger Fahrverkehr aufzuzeichen. Grün heißt Vorrang, rot heißt Wartepflicht.
Zitat
Für die Bewertung der Vorrangregel zwischen Fußgänger und Fahrzeugührer ist die Vorfahrtsbeschilderung an einer Kreuzung oder Einmündung ohne Bedeutung. Die vorfahrtsregelnden Verkehrszeichen können also wahllos vertauscht oder ganz weggelassen weden (rechts vor links Regel).
Fall 1:
Fußgänger quert die Fahrbahn quer zum herannahendem Fahrzeug. Dann gilt für den Fußgänger § 25 StVO. Er hat also dem Fahrzeugführer den Vorrang zu gewähren.
Fall 2:
Fußgänger quert die Fahrbahn längs zum abbiegendem Fahrzeugführer. Dann hat der Abbieger dem Fußgänger nach § 9 StVO den Vorrang zu gewähren. Dabei ist es egal, ob der Fahrzeugführer rechts oder links abbiegt.



Mehr in diesem Thread.


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