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> Sehtest fälschen würde das der Behörde überhaupt auffallen
NeinHierIstPatrick
Beitrag 06.08.2025, 14:43
Beitrag #1


Neuling


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Mal angenommen Person A fälscht einen Sehtest für den Führerschein Klasse B. Jetzt fällt das während der Fahrschulzeit gar nicht auf. überprüft die Fahrerlaubnisbehörde denn die Richtigkeit des Sehtests. Wenn ja wie. Ich meine Augenoptiker und Augenärzte unterliegen ja der Schweigepflicht?
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gruenerTeich
Beitrag 06.08.2025, 15:26
Beitrag #2


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Ob das auffällt, kommt auf die Qualität der Fälschung an.

Seine Unterschrift unter einem vorgelegten Dokument zu bestätigen ist übrigens kein Geheimnis, das von der berufsrechtlichen Schweigepflicht umfasst ist.
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blackdodge
Beitrag 06.08.2025, 17:33
Beitrag #3


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ob die Formulare gegengeprüft werden weiß ich nicht, aber wenn es raus kommt (eigentlich schon vorher) sollte der Hersteller wie auch der Benutzer der falschen Urkunde sich den § 267 StGB anschauen.

Weiterhin sollte ma sich den § 21 StVG anschauen. Da die Fahrerlaubnis ohne rechtlich geltende Urkunde über den Sehtest mit der Einhaltung der Voraussetzungen nicht erteilt worden wäre. Die Fahrerlaubnis ist damit nichtig, der Führerschein ein etwas hartes Stück Klopapier. Und wenn es Zeugen gibt, die die Person regelmäßig bzw mehrfach fahren sehen haben wird es entsprechend teurer.


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gruenerTeich
Beitrag 06.08.2025, 17:37
Beitrag #4


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Nichtig ist die FE-Erteilung nicht, sie wird nur wegen arglistiger Täuschung zurückgenommen werden.
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hk_do
Beitrag 06.08.2025, 20:00
Beitrag #5


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und zwar möglicherweise sogar mit Wirkung für die Vergangenheit.

Sprich: jede Fahrt war dann Fahren ohne Fahrerlaubnis...

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gruenerTeich
Beitrag 06.08.2025, 20:25
Beitrag #6


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Das habe ich auch erst gedacht, allerdings sperrt §3 StVG die landesrechtlichen Vorschriften über Nichtigkeit/Widerruf und Rücknahme der Erteilung im Rahmen der Tatbestandsvoraussetzungen (Fundstelle des Urteils de sBundesverwaltungsgericht dazu aus dem Jahr 1958 ist so alt, die gibt es noch nicht online; allerdings in der Kommentarliteratur erwähnt; auch VGH Kassel Urteil vom 04.06.1985 - 2 OE 65/83 mwN). Die Entziehung gilt nur ex nunc. Ist mal wieder ein Paradebeispiel wie man im besonderen Verwaltungsrecht auf die Schnauze fliegen kann, obwohl man streng nach Gesetz arbeitet, so wie es in der juristischen Ausbildung gelehrt wird.

Ein FoFE ist daher nicht zu befürchten, allerdings geht eine Urkundenfälschung regelmäßig ab drei Nettomontsgehältern los.
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hk_do
Beitrag 06.08.2025, 20:57
Beitrag #7


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Warum Landesrecht? think.gif

Ich wäre hier bei §48 VwVfG (Bund) book.gif

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ExVWbusfahrer
Beitrag 06.08.2025, 21:01
Beitrag #8


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Ich möchte jedenfalls so einem Idioten nicht begegnen.
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Ernschtl
Beitrag 06.08.2025, 22:19
Beitrag #9


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Wie fälscht man denn einen Sehtest für die FE? Ich dachte man bekommt eine positive Bescheinigung oder gar keine think.gif


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Wer bremst hat Angst
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jan47
Beitrag 07.08.2025, 06:35
Beitrag #10


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Ja und diese Bescheinigung ist doch nur ein Papier mit Stempel. Das zu fälschen ist wirklich keine Leistung. Kollegen mit guter Sehleistung hinschicken, seinen positiven Test einscannen, Personendaten ändern, wieder ausdrucken. Echten Stempel macht dir jeder Stempel-Shop in 15 Minuten.
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shortie
Beitrag 07.08.2025, 07:56
Beitrag #11


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Netter Einstieg hier im Forum, sich direkt mit seinem ersten Posting mit Straftaten zu befassen.


Zitat (NeinHierIstPatrick @ 06.08.2025, 14:43) *
Ich meine Augenoptiker und Augenärzte unterliegen ja der Schweigepflicht?

Augenoptiker jedenfalls nicht. Die gehören nicht zum Schutzkreis des § 203 StGB.

Warum will man so etwas Banales fälschen?
Wer schlechte Augen hat kriegt doch ne Brille. Die ja auch außerhalb des Autos von Bedeutung ist/sein kann.
Und wenn man so richtig gar nichts mehr sieht, ist doch der erste Baum oder Brückenpfeiler sowieso schon gebucht.

Zitat (blackdodge @ 06.08.2025, 17:33) *
sollte der Hersteller wie auch der Benutzer der falschen Urkunde sich den § 267 StGB anschauen.

Je nachdem wie dieser gefälschte Sehtest zustande kommt wäre auch der § 271 StGB lesenswert.
Und dann natürlich auch die §§ 278 u. 279 StGB wenn ein Gericht den Sehtest als Gesundheitszeugnis (oder Teil davon) anerkennt

So eine FE bzw. FS kann m.M.n. nicht entzogen werden. Hat ja nie rechtsgültig bestanden.
Und der § 48 VwVFG zieht auch nicht. Ich sehe kein rechtswidriges Verhalten der Behörde.

Die so zustande gekommene Fahrerlaubnis nebst Führerschein unterliegen der Einziehung nach § 282 StGB.

Und ich hab noch gar nicht angefangen darüber nachzudenken, was passiert, wenn so eine Blindschleiche jemanden umsemmelt.


Zitat (Ernschtl @ 06.08.2025, 22:19) *
Wie fälscht man denn einen Sehtest für die FE? Ich dachte man bekommt eine positive Bescheinigung oder gar keine


Sehtest Bescheinigung
Das Entspricht dem Muster aus der Anlage 6 der FEV

Wenn der Augenarzt/Optiker ein guter Freund ist, oder Freund vom Papa oder Nachbar oder Kegelbruder . . . wer weiß, was man da aus falscher Zutraulichkeit oder gegen Geld alles macht.
Oder eine Arzthelferin hat Zugang zu solchen Sachen.
Da läge auch die größte Unsicherheit - irgendwann ist die Freundschaft zerstritten oder das Arbeitsverhältnis beendet aber dann rennt da jemand rum, der was weiß oder Täter oder Mittäter war.
Bei dem könnte alles verjährt sein, so dass eine Offenbarung seinerseits folgenlos bleibt.

Die Sehteststelle muss amtlich anerkannt sein. Da hoffe ich mal das solche Stellen sich nicht auf so etwas einlassen.

Vielleicht will man ein Kreuzchen lieber dort als hier haben und radiert/manipuliert selber da rum.

Straftaten verjähren ja ohnehin erst nach etlichen Jahren.
Aber durch ständige (rechtswidrige) Fahrten kommen immer neue dazu. Jedes Blitzerbild ist der Beginn einer neuen Straftat.
Ein Leben in permanenter Angst ist (hoffentlich) garantiert.

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gruenerTeich
Beitrag 07.08.2025, 12:31
Beitrag #12


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Nochmal: Die Fahrten mit der so erlangten Fahrerlaubnis sind nach § 21 StVG nicht strafbar. Der A hat ja zum Tatzeitpunkt eine FE, wenn sie ihm erteilt wird. Auf die Rechtmäßigkeit der Erteilung kommt es nicht an.

Der Führerschein unterliegt auch nicht der strafrechtlichen Einziehung, denn der strafrechtliche Mangel haftet lediglich an der Bescheinigung über den Sehtest. Eine Fahrerlaubnis ist schon gar keine physische Sache, sondern vielmehr Ergebnis eines begünstigenden (und formgebundenen) Verwaltungsakts, welcher von der zuständigen FEB (eine Landesbehörde, daher maßgeblich die landesrechtlichen Verwaltungsvorschriften, wenn nicht durch höherrangiges Recht gesperrt) gegenüber einer natürlichen Person ausgesprochen wurde oder eben nicht.
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shortie
Beitrag 08.08.2025, 08:11
Beitrag #13


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Über die Würdigung des kompletten Sachverhaltes würde ggf. ein Richter zu entscheiden haben.

Wir sind da zumindest teilweise unterschiedlicher Meinung.
Macht ja nichts.


Ob die FE ein physischer Gegenstand ist oder ob nicht, lass ich mal dahin gestellt. Wahrscheinlich wirst du damit Recht haben.
Die Einziehung wäre aber der einfachste Weg diese betrügerische FE weg zu kriegen.
Und irgendwie muss diese betrügerisch erlangte FE weg, die hat keine Existenzberechtigung - auch das würde ein Richter ggf. mit dem § 69 StGB lösen können. Wenn der Richter das macht, wird er auch den FS einziehen müssen.

Ob Fahren ohne FE vorliegt oder nicht ist doch eh Wurscht. Das ginge in den Urkundsdelikten unter.


Zitat (gruenerTeich @ 07.08.2025, 12:31) *
der strafrechtliche Mangel haftet lediglich an der Bescheinigung über den Sehtest.

Allein schon dein "lediglich" ist völlig unangebracht. Du suggerierst damit geringfügiges Unrecht.
Das ist aber alles andere als eine Lappalie.
Die entsprechende Sehfähigkeit ist nach §§ 11 u. 12 FEV eine Grundvoraussetzung, um überhaupt eine FE zu bekommen.

Es existiert ein Urteil vom OLG Stuttgart (6 Ss 605/11) aus 2012, wo ein ähnlicher Sachverhalt zugrunde lag.
Aufgrund eines gefälschten ukrainischen Führerscheins (stellvertretend für diese Sehtest Bescheinigung) hat eine Behörde in Ungarn diesen in eine EU-Fahrerlaubnis umgetauscht und einen entsprechenden FS ausgestellt.
Diesen (betrügerisch erlangten) ungarischen Führerschein hat der Täter in Deutschland benutzt.
Er wurde (in Deutschland) wegen Fahren ohne FE und Urkundenfälschung verurteilt. Die ungarische FE wurde entzogen und der ungarische Führerschein eingezogen.

Zitat (gruenerTeich @ 07.08.2025, 12:31) *
Auf die Rechtmäßigkeit der Erteilung kommt es nicht an.

Offensichtlich doch.
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gruenerTeich
Beitrag 08.08.2025, 09:12
Beitrag #14


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Auf die Rechtmäßigkeit der FE-Erteilung kommt es hier nicht an, da die deutsche FEB bei Ersterteilung eine Eignungsprüfung vornimmt. Insofern kann man aus de, Urteil des OLG Stuttgart nichts herleiten, da dieses lediglich über die Gültigkeit einer Umschreibung zu einer ungarischen FE ohne erneute Eignungsprüfung zu befinden hatte. Dass diese Umschreibung im Lichte der unioinsrechtlichen Auslegung dem Betroffenen in Deuschland keine Fahrerlaubnis erteilt, liegt auf der Hand.

Der Entzug der Fahrerlaubnis wurde auf §69 StGB gestützt (kann man so machen), nicht als Einziehung eines Tatmittels eines Urkundendelikts.
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F117
Beitrag 08.08.2025, 10:55
Beitrag #15


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Ich kann (oder will) Dir nicht ganz folgen. Ein Verwaltungsakt, der auf gefakten Unterlagen beruht, kann nicht wirksam sein, er ist zurückzunehmen. Ich habe einen Aufsatz dazu gefunden, der das stützt: https://www.lecturio.de/mkt/jura-magazin/ru...rwaltungsakten/ - und weil das IMHO unter arglistige Täuschung fällt, auch nicht nur für ein Jahr rückwirkend. Also doch FoFE?


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gruenerTeich
Beitrag 08.08.2025, 12:39
Beitrag #16


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Der sachliche Anwendungsbereich des §48 VwVfG (und deren landesrechtlichen Pendante) ist nicht eröffnet, da das förmliche Gesetz (§3 StVG) diesen im Fall der bekanntgewordenen Ungeeignetheit des FE-Inhabers sperrt. Der §3 StVG als Bundesgesetz regelt die Frage über den Bestand der FE bei feststehender Ungeeignetheit abschließend und bricht etwaige landesrechtliche Regelung zur Frage des Ermessensausübung und einen etwaigen (bei arglistiger Täuschung nicht vorliegenden) Vertrauensschutz bei rückwirkender Aufhebung des Verwaltungsaktes, vgl. Art. 31 GG.

Das sieht auch die Mehrheit der Judikatur der ganzen Republik so (Auswahl: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 17.12.1991, VBlBW 1992, 150, m.w.N.; Hamb. OVG, Beschlüsse vom 04.02.2003, NordÖR 2003, 305, und vom 30.01.2002, NJW 2002, 2123, jew. m.w.N.; Nieders. OVG, Beschluss vom 27.09.1991 - 12 M 7440/91 -, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 18.08.2009 - 14 K 7374/08 -, juris, m.w.N.; VG Saarland, Beschluss vom 12.09.2007 - 10 L 1021/07 -, juris, m.w.N.; VG Sigmaringen, Urteil vom 10.07.2007 - 4 K 1374/06 -, juris, m.w.N.; VG Berlin, Beschluss vom 30.03.2007 - 11 A 158.07 -, juris, m.w.N.; VG Braunschweig, Beschluss vom 17.09.2002 - 6 K 530/02 -, juris, m.w.N.; VG Karlsruhe, Beschluss, vom 22.03.1999 - 6 K 284/99 -, juris, m.w.N.; vgl. hierzu auch BVerwG, Beschluss vom 12.10.1982, NJW 1983, 1279;)

Einen rückwirkenden Entzug der Fahrerlaubnis sieht dieses Gesetz nicht vor.
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gruenerTeich
Beitrag 08.08.2025, 13:06
Beitrag #17


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Aus strafrechtlicher Sicht wird das geteilt: Selbst Personen die ihre Fahrerlaubnis durch Bestechung, Gewaltdrohung, Erpressung oder sonstige Täuschung rechtswirksam (Zuständige FEB und formgerechte Aushändigung des Führerscheins an die Person) erhalten, machen sich nicht wegen Verstoß gegen 21 StVG strafbar, wenn ihnen diese später wieder entzogen wird (BGH Urt. v. 29.8.1973 – 3 StR 337/72, BeckRS 1973, 144)
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F117
Beitrag 08.08.2025, 13:08
Beitrag #18


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Danke für die Aufklärung cheers.gif


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gruenerTeich
Beitrag 08.08.2025, 13:24
Beitrag #19


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Ich weiß, das mag jetzt für den rechtstreuen Bürger unintuitiv, gar abwertend klingen. Es hat aber einen ganz praktischen Grund: Rechtssicherheit: Ein Bundesgesetz ist sehr viel schwerer zu ändern als eine Verordnung. Was passiert, wenn jeder Lokalfürst seine eigenen Regelungen mit weitreichenden Grundrechtseinschränkungen aufstellen kann, hat man in der Pandemie gesehen.

Auch muss die Behörde sich nicht gezwungen sehen, das Verwaltungshandeln einer anderen Behörde in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich auf Richtigkeit zu untersuchen. Ein Polizist kann davon ausgehen, dass jemand die Erlaubnis hat eine Waffe zu führen, wenn in einer Kontrolle ein Bürger seinen Waffenschein vorzeigt. Er muss sich kein Vorermittlungsverfahren eröffnen, ob die Erteilung des Waffenscheins zu Recht erfolgt ist.

Andererseits kann der Bürger davon ausgehen, dass der Polizist mit kurzer Zündschnur gegenüber zu Recht in das Amt des Polizeiobermeisters ernannt wurde und seine Dienstwaffe auch führen darf und nicht bei der amtsärztlichen Untersuchung seine bipolare Störung verschwiegen hat.

Ausnahme bilden die Akte staatlicher Gewalt, denen deren Unverträglichkeit mit der Rechtsordnung auf die Stirn geschrieben steht, sog. nichtige Verwaltungsakte: Die gelten einfach nicht und haben das auch nie. Beispiel:
Wenn der Staatsminister verfügt, dass der unliebsame Atommüll jetzt in den Garten des politischen Gegners wandert, nur weil dieser bei Wahlumfragen vorne liegt, darf jeder Bürger und Vollzugsbeamte dieses Ansinnen ignorieren, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Oder dir der Finanzbeamte meint, die FE-Entziehung auszusprechen, nur weil du bei der Steuererklärung es mit der Wahrheit nicht genau genommen hast (Sowas ist ein Lehrbuchbeispiel).
Die tauchen in der Praxis nahezu nie auf, weil sie eben so absurd sind, kein Beamter bei Verstand würde so entscheiden.
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F117
Beitrag 08.08.2025, 17:55
Beitrag #20


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Hmmmm. Zufriedenstellend geht anders ;-) Mein laienhaft-bürgerliches Rechtsverständnis versteht unter einer erschlichenen Lizenz nicht das, was Du so geduldig erklärst. Ich bin also blind wie eine Eule, lege die FEB rein, fahre 44 Tonnen durch die Gegend, und wenn das nach 5 Jahren auffällt, kommt ein "Na, wollnwer mal nich' so sein. Ab jetzt lässt Du den LKW stehn, okay?" Irgendwie fühlt sich das nicht richtig an.


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jan47
Beitrag 09.08.2025, 04:45
Beitrag #21


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Zitat
Irgendwie fühlt sich das nicht richtig an.


Wieso? Wenn du die 5 Jahre Unfallfrei gefahren bist, ist der Gesellschaftliche Schaden der Tat sehr gering. Du warst ja in der Lage sicher zu fahren. Da es aber an einer Formalität fehlte ist ab jetzt Schluss, damit alles seine Ordnung hat.

Selbst wenn du die letzten 20 Jahre komplett ohne FE gefahren wärst, wird äusserst selten Fahren ohne FE in 20x365=7300 Fällen vorgeworfen. Obwohl da eine viel grössere Gefahr von dir ausgeht, da du ja keine Fahrschule, Erste Hilfe, etc kennst
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durban
Beitrag 09.08.2025, 10:17
Beitrag #22


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Aber eher, weil man die 7300 Fälle nicht konkret bestimmen kann. Wenn das möglich ist, zB durch die Auswertung von Fahrerkarten, werden tatsächlich oft eine Vielzahl von Fahrten verfolgt.

Zur Fahrerlaubnis:
Der Grundsatz in jedem Teil des Verwaltungsrechts ist, dass auch ein rechtswidriger Verwaltungsakt wirksam ist - er muss ggf. zurückgenommen werden.
Daraus ergibt sich umgekehrt: Ein nichtiger Verwaltungsakt müsste (und könnte) nicht einmal zurückgenommen werden.
Daher beschränkt sich die Nichtigkeit von vornherein auf Extremfälle, bei dem jedem sofort klar sein muss, dass die FE unter keinen Umständen wirksam sein kann. Im Zweifel muss man von einer Wirksamkeit eines VA ausgehen, damit die Behörde durch eine Rücknahme Klarheit schaffen kann.

Es ist nunmal so (wie grünerTeich schreibt), dass der Verwaltungsakt als formaler Akt Vertrauen setzt - für die Bürger und die Kontrollierenden.

Und im Fahrerlaubnisrecht ist die Rücknahme eben durch die Entziehung ersetzt, denn das Fahrerlaubnisrecht ist Gefahrabwehrrecht und auf die Zukunft fixiert. Die FeB muss entscheiden, ob jemand weiterhin - zukünftig - am Straßenverkehr teilnehmen darf, um Gefährdungen zu vermeiden.

Wenn infolge der mangelnden Sehfähigkeit ein Unfall passiert, dürfte das idR nach § 315c strafbar sein, wirksame FE hin oder her.

MfG Durban


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hk_do
Beitrag 09.08.2025, 12:55
Beitrag #23


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Es gibt allerdings keinen Vertrauensschutz für denjenigen, der sich wie hier durch eine Straftat einen falschen Verwaltungsakt arglistig erschleicht. In solchen Fällen kann der Verwaltungsakt auch ohne nichtig zu sein mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

So geregelt im Verwaltungsverfahrensgesetzt, dass als Bundesgesetz ja grundsätzlich auch für Landes- und Kommunalbehörden gilt, wenn sie Bundesrecht ausführen.

Das soll hier nach herrschender Meinung (in den von @gruenerTeich genannten Urteilen sind ja durchaus auch abweichende Entscheidungen beschrieben) nur deswegen nicht gelten, weil das Straßenverkehrsrecht speziellere Regelungen zum Entzug der einmal erteilten Fahrerlaubnis enthält und deswegen die allgemeinen Vorschriften des VwVfG nicht greifen.


Ob das jetzt Absicht oder Zufall ist werden wir nicht klären können. In der Praxis scheint es kein nennenswertes Problem zu sein, sonst hätte der Gesetzgeber hier schon nachgesteuert. Es sollte ja grundsätzlich kein Problem sein, durch einen entsprechenden Passus im Straßenverkehrsrecht für den Fall der arglistigen Erschleichung einer FE die Vorschiften des VwVfG für die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit doch wieder in Kraft zu setzen? think.gif

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jan47
Beitrag 09.08.2025, 19:47
Beitrag #24


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Zitat (durban @ 09.08.2025, 11:17) *
Aber eher, weil man die 7300 Fälle nicht konkret bestimmen kann. Wenn das möglich ist, zB durch die Auswertung von Fahrerkarten, werden tatsächlich oft eine Vielzahl von Fahrten verfolgt.


Was aber ja somit sowohl auf gar-keine-FE und gefälschter-Sehtest-FE zutrifft, falls man der Logik folgt, dass rückwirkend Straftaten begangen wurden. (Und selbst dann gelten auch nur 3 Jahre da Verjährung).
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hk_do
Beitrag 09.08.2025, 22:14
Beitrag #25


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Auch wenn man überhaupt keine FE hat wird einem in erster Linie mal die Fahrt vorgeworfen, bei der man angetroffen wird.

Anders sieht es aus, wenn man zum Beispiel Profi-Fußballer ist und regelmäßig selbst fahrend z.B. bei der Ankunft am Trainingsgelände gefilmt worden ist...

In dem Fall kann es dann hilfreich sein, wenn man Freunde hat die einem optisch sehr ähnlich sehen und denen man regelmäßig sein Auto geliehen hat whistling.gif

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durban
Beitrag 11.08.2025, 08:46
Beitrag #26


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Also es gibt in meinen Augen gute Gründe dafür, dass man annimmt, dass es neben der Entziehung der FE auch Raum für eine Rücknahme gibt.
Bin aber kein Verwaltungsrechtsexperte. Aber: selbst wenn man annimmt, dass eine FE rückwirkend entzogen werden kann, habe ich große Zweifel, dass vergangene Fahrten als Fahren ohne FE geahndet werden könnten. Denn für eine Strafbarkeit müssen alle gesetzlichen Tatbestände zum Zeitpunkt der Tat vorliegen. Und das wäre ja tatsächlich nicht der Fall. Mit verwaltungsrechtlichen Fiktionen hat das pragmatisch veranlagte Strafrecht grundsätzlich Bauchschmerzen.

In der Praxis würde man wohl im Zweifel die Verfolgung auf die Urkundenfälschung beschränken bzw. das FOFE einstellen.


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