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> Anforderung an die Begründung für die Nichtfreigabe einer Einbahn
Söne spitze Steine
Beitrag 19.06.2025, 08:46
Beitrag #1


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Anforderung an die Begründung für die Nichtfreigabe einer Einbahn für gegenläufigen Radverkehr

Einbahnstraßen sollen in der Regel für gegenläufigen Radverkehr freigegeben werden, wenn diese bestimmte in der VwV gelisteten Kriterien erfüllen.

Welche Anforderungen sind an die Begründung eines solchen Verwaltungsaktes zu stellen, insbesondere wenn die Freigabe abgelehnt wird?

Wir haben nämlich öfters das Problem, daß diese Frage in einer Bezirksvertretung (Stadtteilparlament) politisch, das heißt mit sachfremden Argumenten, entschieden wird. In der amtlichen Begründung steht dann (vermutlich): „Freigabe wurde von der BV xy abgelehnt.“

Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn ein politisches Gremium in einer kommunalen Satzung dafür zuständig Beschlüsse innerhalb des behördlichen Ermessens faßt. Hier macht die zuständige StrVB macht von ihrem Ermessen letztlich gar keinen (sachlichen) Gebrauch.

Ist eine solche Entscheidung nicht gerichtlich angreifbar?


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ulm
Beitrag 19.06.2025, 09:29
Beitrag #2


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Zitat (Söne spitze Steine @ 19.06.2025, 09:46) *
Wir haben nämlich öfters das Problem, daß diese Frage in einer Bezirksvertretung (Stadtteilparlament) politisch, das heißt mit sachfremden Argumenten, entschieden wird. In der amtlichen Begründung steht dann (vermutlich): „Freigabe wurde von der BV xy abgelehnt.“

Dann würde ich erst einmal in die Sitzungsvorlage schauen, was der Verwaltung der Bezirksvertretung zur Abstimmung vorgelegt hat. Da solltest Du massig Munition finden oder schnell erkennen, dass es sinnlos ist, sich darüber aufzuregen.
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Söne spitze Steine
Beitrag 19.06.2025, 22:54
Beitrag #3


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Die StrVB schägt der Bezirksvertretung vor, die Einbahnstraßen A, B und C für den gegenläufigen Radverkehr zu öffnen, da die Voraussetzungen (mit konkreter Auflistung) vorliegen. Die Bezirksvertretung lehnt die Freigabe für A und B ab. Das ist denen „zu eng“, ohne näher ausgeführt zu werden.

Viel mehr, als dies in die amtliche Begründung zu schreiben, kann die StrVB nicht. Oder?


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mir
Beitrag 20.06.2025, 06:23
Beitrag #4


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Was ist denn eine "Bezirksvertretung", und warum entscheidet die darüber?

Wenn die Behörde lediglich auf die Entscheidung eines politischen Gremiums verweist, ist das ein klassischer Ermessensfehler.


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ujgm
Beitrag 20.06.2025, 07:54
Beitrag #5


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Da es sich bei der Anwendung der StVO um eine Auftragsangelegenheit handelt, hat der Stadtrat, Ortsgemeinderat, Bezirksvertretung, Stadtteilparlament oder sonstige politische Gremien rein gar nichts zu entscheiden.

Das ist eine alleinige Entscheidung der Straßenverkehrsbehörde.
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ulm
Beitrag 20.06.2025, 08:05
Beitrag #6


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Wobei ich bei einer Einbahnstraße einen ganz anderen Ansatz verwenden würde.

Verkehrsbeschränkungen sind ja lediglich da anzuordnen, wo es aus Gründen der Sicherheit etc. (§45 Abs. 9 StVO) erforderlich ist.
Die Sperrung einer Fahrtrichtung ist so eine Verkehrsbeschränkung.
Für mehrspurige Fahrzeuge kann die beispielsweise aufgrund der Fahrzeugbreite notwendig sein.
Für einspurige Fahrzeuge muss aber die StVB begründen, warum diese dort nicht durchfahren dürfen.

Also einfach eine Begründung für die Sperrung verlangen, nicht für die Nichtfreigabe. whistling.gif
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Söne spitze Steine
Beitrag 21.06.2025, 13:04
Beitrag #7


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Das ganze basiert auf der Hauptsatzung der Stadt (PDF).

Dort steht in

Zitat
§ 13 Bezirksvertretungen – Straßen und Verkehr

[…]

(3) Die Bezirksvertretungen entscheiden über Maßnahmen der Verkehrslenkung und
Verkehrssicherung bei bezirklichen Straßen, wie:

– die Änderung der Verkehrsführung in größerem Umfang (z.B. Einbahnsysteme,
Umleitungen), …


was in der Praxis darauf hinausläuft, daß die StrVB den Bezirksvertretungen (BV) in einer Vorlage empfiehlt, welche Einbahnstraßen für den gegenläufigen Verkehr geöffnet werden sollen und welche nicht. Natürlich heißt dies nicht, daß die BV die straßenverkehrsrechtlichen Anordnungen trifft, dies macht die StrVB. Da sich aber die StrVB in 99,9% an die politische Vorgabe hält, bedeutet dies auch, daß die StrV faktisch auf die Ausübung ihres Ermessens verzichtet (wenn ich das richtig sehe).

Nehmen wir als Beispiel diese Sitzung vom 18.3.24, TOP 8 (Einbahnstraßenöffnung für den gegenläufigen Radverkehr - Barmen Mitte/Westen 1):

Die Verwaltung empfiehlt die Freigabe der
– Völklinger Straße
– Drucker Straße.

Im Sitzungsprotokoll steht:
Zitat
Die Bezirksvertretung beschließt die Freigabe der Einbahnstraße-6-
1. Drucker Straße
für den gegenläufigen Radverkehr.
Die Bezirksvertretung beschließt die Ablehnung der Freigabe der Einbahnstraße
2. Völklinger Straße
[…] für den gegenläufigen Radverkehr.


D.h. die Völklinger Straße wurde nicht für den gegenl. RV freigegeben, obwohl objektiv die Voraussetzungen dafür vorliegen.

Ich stelle mal eine Anfrage, das dauert sowieso immer.

Bei einem Ein-/Widerspruch ist auch stets die Frage, ob eine StrVB überhaupt ein Ermessen hat bei der gegenläufigen Freigabe von Einbahnstraßen für RV, wenn das Gesetz sagt, daß „in der Regel“ freizugeben ist, wenn die Voraussetzungen vorliegen. In ein bestehendes Ermessen wird sich das zuständige VG nämlich nicht einmischen.


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mir
Beitrag 21.06.2025, 23:17
Beitrag #8


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"In der Regel" bedeutet, dass es eine Ermessensentscheidung ist. Das Gericht prüft dann nur nach, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

"Ich mach es so weil der Bezirk es so beschlossen hat" entspricht nicht dem Zweck der Ermächtigung. Die StVB muss selber prüfen und begründen. (Außer in den Fällen, in denen in der StVO tatsächlich steht, dass die Gebietskörperschaft den Rahmen setzt.)

Und § 45 Abs. 9 S. 3 StVO setzt dem auch noch mal Grenzen.

Der § 13 Abs. 3 der Hauptsatzung scheint mir rechtswidrig zu sein. Die Stadt kann nicht einfach Befugnisse, die der Rat gar nicht hat, auf die Bezirksvertretung übertragen, auch nicht solche im übertragenen Wirkungskreis. Vielleicht hierzu mal das zuständige Landesministerium anschreiben.


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mgka
Beitrag 23.06.2025, 12:50
Beitrag #9


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Zitat (mir @ 22.06.2025, 00:17) *
Und § 45 Abs. 9 S. 3 StVO setzt dem auch noch mal Grenzen.

Hm, ist jetzt das Öffnen jetzt Einbahnstraße eine (reine) Ermessensentscheidung - was für eine etwaige verwaltungsgerichtliche Überprüfung ja einen entsprechenden Antrag an die zuständige Stelle voraussetzen würde oder fußt die Nicht-Freigabe (=Sperrung) rein auf dem § 45 Abs. 9 S. 3 StVO, welcher zwingend den Nachweis einer tatbestandlichen Voraussetzung verlangt. Das wäre dann ja eine reine Anfechtungsklage, der kein Antrag vorausgehen müsste.
Ich halte diese Unterscheidung für wesentlich, denn eine Anfechtungsklage ist wesentlich rechtsschutzintensiver als eine Verpflichtungsklage.

Zitat
Der § 13 Abs. 3 der Hauptsatzung scheint mir rechtswidrig zu sein. Die Stadt kann nicht einfach Befugnisse, die der Rat gar nicht hat, auf die Bezirksvertretung übertragen, auch nicht solche im übertragenen Wirkungskreis. Vielleicht hierzu mal das zuständige Landesministerium anschreiben.

Das ist aber in vielen Gemeindesatzungen so, was es natürlich nicht rechtskonformer macht. Insbesondere dürfte eine (reine) Mehrheitsentscheidung hinsichtlich einer verkehrsrechtlichen Anordnung von einem Gemeinderat regelmäßig keine Ermessensausübung darstellen, womit diese automatisch rechtswidrig ist.
Und gerade für Sachen aus dem übertragenen Wirkungskreis sehe ich keinerlei Möglichkeit, dass eine Kommune meint, diese Zuständigkeit wem auch immer übertragen zu können. Zumal hier die Rechtsaufsicht den vollen Durchgriff hätte und jegliche Entscheidung abändern könnte.


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