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> Strafbefehl nach Trunkenheitsfahrt E-Scooter 1,35% BAK, E-Scooter Fahrt mit 1,35% - FE entzogen
Uwe W
Beitrag 20.06.2023, 01:42
Beitrag #51


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Ich werfe mal eine Entscheidung des großen Strafsenats am Bundesgerichtshof in die Diskussion ein:

GSSt 2/04 Beschluss vom 27.04.2005

Zitat
§ 69 StGB bezweckt den Schutz der Sicherheit des Straßen-
verkehrs. Die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis
wegen charakterlicher Ungeeignetheit bei Taten im Zusam-
menhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs (§ 69 Abs. 1
Satz 1 Variante 2 StGB) setzt daher voraus, daß die Anlaßtat
tragfähige Rückschlüsse darauf zuläßt, daß der Täter bereit
ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen krimi-
nellen Interessen unterzuordnen.

Zitat
Der Große Senat für Strafsachen folgert die von ihm bejahte Be-
schränkung des Schutzzwecks dieser Vorschrift auf Verkehrssicherheitsbelan-
ge maßgebend aus dem Verhältnis des § 69 StGB zu den Bestimmungen des
§ 2 Abs. 4 Satz 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 3, § 46 Abs. 1
Satz 2 FeV über die verwaltungsrechtliche Entziehung der Fahrerlaubnis. So-
wohl die strafgerichtliche als auch die verwaltungsbehördliche Entziehung der
Fahrerlaubnis knüpfen die Anordnung der Maßnahme an die Feststellung der
- 12 -
fehlenden Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Der in § 69 Abs. 1 StGB
verwendete Begriff der Ungeeignetheit stimmt inhaltlich mit demselben, in den
genannten Vorschriften des Straßenverkehrs- und Fahrerlaubnisrechts ver-
wendeten Begriff überein.
Dies folgt schon daraus, daß – wie die Materialien
zum (ersten) Straßenverkehrssicherungsgesetz 1952 belegen (vgl. BTDrucks.
[1. WP] Nr. 2674 S. 8, 12) – mit der Übertragung der zuvor ausschließlich den
Verwaltungsbehörden zugewiesenen Aufgabe der Entziehung der Fahrerlaub-
nis „auch“ auf den Strafrichter letzterer bei Anwendung des § 69 StGB der Sa-
che nach die Ordnungsaufgabe der Fahrerlaubnisbehörde wahrnimmt (BVerwG
NJW 1989, 116, 117). Deshalb ist für die Auslegung des Begriffs der Ungeei-
gnetheit in § 69 StGB der Zweck der Vorschrift des § 3 Abs. 1 StVG über die
Entziehung der Fahrerlaubnis beachtlich.


Geht man also davon aus, dass der verwaltungsrechtliche Eignungsbegriff mit dem strafrechtlichen übereinstimmt, so sehe ich bei einer Fahrt mit einem fahrerlaubnisfreien KfZ (E-Scooter) im Bereich 1,1 bis 1,6 Promille folgendes Problem:

Wenn keine Anzeichen von Alkoholmissbrauch vorliegen, hat die Fahrerlaubnisbehörde keine Handhabe, dem Betroffenen weitere Fahrten mit dem E-Scooter zu verbieten.
Dass man ihm aber im Regelfall die Fahrerlaubnis für das nüchterne Fahren mit einem PkW entzieht und damit solche Fahrten verbietet, erscheint mir dann als Systembruch:
Wenn weiterhin Fahrten mit dem E-Scooter erlaubt sind und man also die Gefahr in Kauf nimmt, dass nach vielen nüchternen Fahrten mal wieder eine unter verbotenem Alkoholeinfluss dabei ist, dann bewertet der Verordnungsgeber die Trunkenheitsfahrt mit dem E-Scooter als weniger schwerwiegend. Kann man dann dem Betroffenen Fahrten mit einem PkW im nüchternen Zustand verbieten?


--------------------
"Alle Mitgliedstaaten hätten Grund sich zu beklagen. Skouris betont, dass gerade dies beweise, dass der EuGH seine Arbeit gut mache."
(Interview mit Vassilios Skouris am 20.04.06 im ORF)
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mir
Beitrag 20.06.2023, 06:33
Beitrag #52


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Eventuell lohnt es sich, mit Hinblick auf das Urteil in diesem Thread

http://www.verkehrsportal.de/board/index.p...howtopic=134409

gegen das Fahrverbot für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge vorzugehen. Aber besser mit einem Anwalt besprechen. Auf Fristen achten!


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Uwe W
Beitrag 20.06.2023, 16:43
Beitrag #53


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Die Einspruchsfrist ist wohl schon am 07.06. abgelaufen. Das im Strafbefehl verhängte Fahrverbot ist allerdings eine Nebenstrafe und hat mit der Eignung nichts zu tun. Seit einigen Monaten können Fahrverbote als Nebenstrafe auch bei Straftaten verhängt werden, die nicht im Straßenverkehr begangen wurden. Insofern wird ein Einspruch also nichts bringen.

Das zitierte BayVGH, Urteil vom 17. April 2023, Az.11 BV 22.1234
ist aber trotzdem für diesen Thread interessant:
Zitat
In diesem Zusammenhang hat der Senat auch bereits Bedenken gegen die entsprechende Anwendung (§ 3 Abs. 2 FeV) des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV in Fällen, in denen die anlassgebende Trunkenheitsfahrt (hier bei einer BAK von 1,24 ‰) – wäre sie mit einem fahrerlaubnisfreien sonstigen Fahrzeug (Fahrrad) begangen worden – keine Zuwiderhandlung im Straßenverkehr nach § 24a Abs. 1 StVG dargestellt hätte, was als Systembruch erscheint.

D.h. der bayerische Verwaltungsgerichtshof hätte Bedenken, bei 2 Trunkenheitsfahrten mit einem E-Scooter im Bereich von 1,1 bis 1,59 Promille eine MPU für zulässig zu erklären, weil solche Fahrten mit einem Fahrrad erlaubt wären.

Das klingt für mich so, als würde der VGH die Gefährlichkeit von E-Scootern mit der Gefährlichkeit von Fahrrädern/Pedelecs gleichsetzen.

Nochmal zurück zu Fahrverboten: wenn der Gesetzgeben in § 44 StGB anordnet, dass in denjenigen Fällen, in denen von der Regel abgewichen wurden, nach § 69 (2) die Fahrerlaubnis zu entziehen, in der Regel ein Fahrverbot zu verhängen ist, dann bedeutet das meiner Meinung nach, dass man vom regelmäßigen Entzug der Fahrerlaubnis relativ viele Ausnahmen zulassen kann, weil man diese Ausnahmen dann wieder in Regelfälle (Fahrverbot) und doppelte Ausnahmefälle (kein Fahrverbot) unterteilen kann.


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"Alle Mitgliedstaaten hätten Grund sich zu beklagen. Skouris betont, dass gerade dies beweise, dass der EuGH seine Arbeit gut mache."
(Interview mit Vassilios Skouris am 20.04.06 im ORF)
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