... Forum Straßenverkehr - der Verkehrstalk im Web


Willkommen, Gast ( Anmelden | Registrierung )

 
Reply to this topicStart new topic
> Abschleppen wegen Parkzeitüberschreitung legal?
johnny_cash
Beitrag 15.10.2012, 20:19
Beitrag #1


Neuling
**

Gruppe: Members
Beiträge: 26
Beigetreten: 15.10.2012
Mitglieds-Nr.: 65872



    
 
Hallo, ich habe eine Frage zur Rechtmäßigkeit des Abschleppens von Falschparkern.

In der ARD-Sendung "Mein gutes Recht" wurde gerade behauptet, es sei ein falsches Gerücht, dass man bei einer bloßen Überschreitung der Parkzeit (abgelaufener Parkschein mit Überschreitung der Höchstparkdauer, im beschriebenen Fall um ca. 2 Stunden) NICHT abbgeschleppt werden dürfte. Tatsächlich darf angeblich auch dann schon abgeschleppt werden.

Stimmt das wirklich? Mein Kenntnisstand ist nämlich, dass die Verhältnismäßigkeit gegeben sein muss.

Außerdem wurde dort behauptet, selbst wenn man nur kurz im Geschäft gegenüber ist, wenn man auf einem Zettel an der Windschutzscheibe angegeben hat, wo man ist, und wenn man sogar noch seine Handynummer hinterlassen hat, selbst dann dürfte man abgeschleppt werden, wenn man verbotswidrig geparkt hat.

Außerdem reicht es angeblich schon, verboten zu parken, um abgeschleppt zu werden - behindern muss man dafür niemanden.

Ich kann mir das irgendwie alles gar nicht vorstellen. Und wo ist die Grenze? Heißt das, dass man auch wegen 5 Minuten Überschreitung der Parkzeit schon abgeschleppt werden dürfte?

Danke im voraus
Go to the top of the page
 
+Quote Post
MrMurphy
Beitrag 15.10.2012, 20:21
Beitrag #2


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 5160
Beigetreten: 27.11.2004
Mitglieds-Nr.: 6966



Hallo,

ja, die Angaben stimmen. Das ganze läuft meist unter der Bezeichnung "negative Vorbildfunktion".

Gruss

MrMurphy
Go to the top of the page
 
+Quote Post
johnny_cash
Beitrag 15.10.2012, 20:26
Beitrag #3


Neuling
**

Gruppe: Members
Beiträge: 26
Beigetreten: 15.10.2012
Mitglieds-Nr.: 65872



Danke, aber heißt das dann, dass es völlig egal ist, wie lange der Parkschein abgelaufen ist, und dass dann immer abgeschleppt werden darf, theoretisch auch schon bei 5 Minuten?
Go to the top of the page
 
+Quote Post
MrMurphy
Beitrag 15.10.2012, 20:33
Beitrag #4


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 5160
Beigetreten: 27.11.2004
Mitglieds-Nr.: 6966



Hallo,

theoretisch ja. Praktisch gehen die Behörden mit solchen kurzfristigen Aktionen aber seriös um. Die Regelung ist ja nicht neu und das viele Leute die Möglichkeit der Behörde nicht mal kennen zeigt ja, das sie nicht wahllos genutzt wird.

Gruss

MrMurphy
Go to the top of the page
 
+Quote Post
Rhein-Main
Beitrag 15.10.2012, 21:05
Beitrag #5


Mitglied
*****

Gruppe: Members
Beiträge: 315
Beigetreten: 05.08.2012
Mitglieds-Nr.: 65128



Hallo johnny_cash, willkommen im Verkehrsportal! smile.gif

Ja, all diese Aussagen stimmen soweit! Die Behörden greifen bei Bedarf auch entsprechend ein; in Ballungsgebieten (z.B. Rhein-Main-Gebiet) eher, als in einer Kleinstadt.

Verhältnismäßigkeit ist zum Beispiel allein dadurch gegeben, dass nur begrenzte Parkplätze vorhanden sind, und eine entsprechende Nachfrage von anderen Verkehrsteilnehmern bestehen könnte, diese Parkplätze legal (also mit gültigem Parkschein, etc.) zu nutzen.

Welche "Grenze" suchst Du denn?
Im Prinzip kannst Du abgeschleppt werden, jedoch kann jeder Einzelfall anders aussehen!
Go to the top of the page
 
+Quote Post
durban
Beitrag 15.10.2012, 21:09
Beitrag #6


Mitglied
********

Gruppe: Globaler Moderator
Beiträge: 19463
Beigetreten: 17.04.2005
Mitglieds-Nr.: 9339



Es gibt da durchaus unterschiedliche Gerichtsurteile.
Nach dem BVerwG reicht der Verstoß an sich nicht, um das Abschleppen zu begründen. Es muss darüber hinaus eine besondere Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bestehen. Andererseits liegt hier die schwelle recht niedrig, sodass auch die Überschreitung der Parkzeit zum Abschleppen führen kann.
Als polizeirechtliche Gefahrabwehrmaßnahme muss das Abschleppen aber immer verhältnismäßig sein. Bei einer Überschreitung von 5 Minuten wird das meiner Meinung nach eher nicht der Fall sein.

MfG
Durban smile.gif


--------------------
Proxima Estación: Esperanza.
Go to the top of the page
 
+Quote Post
fahrtenbuchführer
Beitrag 15.10.2012, 22:36
Beitrag #7


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 2044
Beigetreten: 21.01.2011
Mitglieds-Nr.: 57349



Auch die negative Vordbildfunktion reicht allein hierzu nicht aus.


--------------------
In dubio pro reo
Go to the top of the page
 
+Quote Post
Mitleser
Beitrag 16.10.2012, 06:06
Beitrag #8


Mitglied
********

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 20363
Beigetreten: 16.10.2009
Mitglieds-Nr.: 50997



Was braucht man denn noch? Das 5min nicht verhältnismäßig sind, wurde ja oben bereits als Grundlage definiert. (Lesetipp)
Go to the top of the page
 
+Quote Post
johnny_cash
Beitrag 16.10.2012, 07:33
Beitrag #9


Neuling
**

Gruppe: Members
Beiträge: 26
Beigetreten: 15.10.2012
Mitglieds-Nr.: 65872



Danke für die vielen guten Antworten. Eine Frage hätte ich noch:

In der Sendung wurde auch behauptet, das Hinterlassen der Handynummer und des Aufernthaltsortes (in unmittelbarer Nähe) auf einem Zettel an der Windschutzscheibe würde nicht vor dem Abschleppen schützen - und wenn, dann nur aus "Kulanz".

Wie ich die verlinkte Seite interpretiere, geht die Rechtsprechung aber schon davon aus, dass die Verhältnismäßigkeit gegeben sein muss - nur dass eben auch die möglichst schnelle Beseitigung der negativen Vorbildfunktion als verhältnismäßig gewertet wird.

Die negative Vorbildfunktion wird aber auch beseitigt, wenn ich mein Auto (z.B. nach einer telefonischen Benachrichtigung) selbst wegfahre. Das geht ja sogar noch deutlich schneller als das Abschleppen, denn der Abschleppdienst müsste ja erst mal anrücken, während ich mich direkt "um die Ecke" aufhalte und per Handy erreichbar bin.

Dennoch hieß es in der Sendung, dass auch dann abgeschleppt werden dürfte.

Stimmt das auch - und wenn ja, wie wird dann die Verhältnismäßigkeit juristisch begründet?

Danke

Nachtrag:

In diesem Fall wäre das Abschleppenlassen (statt Anrufen und Wegfahrenlassen) doch eine bloße zusätzliche Strafmaßnahme und keine Maßnahme, die der schnelleren Beseitigung des Verstoßes dienen würde. Abschleppen ist aber doch meines Wissens nach nicht als Strafe gedacht, sondern dient nur der Beseitigung von Gefährdungen der öffentlichen Ordnung, etc.
Go to the top of the page
 
+Quote Post
Mitleser
Beitrag 16.10.2012, 07:43
Beitrag #10


Mitglied
********

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 20363
Beigetreten: 16.10.2009
Mitglieds-Nr.: 50997



Wägen wir mal ab:

Abschleppen
Die Überwachungskraft stellt das Vergehen fest. Sie ruft den Abschlepper an - müsste heutzutage technisch auch per Auswahltaste im Handcomputer in Sekundenbruchteilen gehen. Der Abschlepper kommt definitiv. Es wird abgeschleppt. Und das sichtbar und somit auch generalpräventiv. Und für den Halter wirkt das auch noch spezialpräventiv.

Anrufen
Die Überwachungskraft stellt das Vergehen fest. Sie ruft die dort angegebene Nummer an. Es geht jemand ran. Dieser sagt, dass er sich drum kümmere. Nach 10min ist immer noch niemand da. Die Überwachungskraft ist freundlich und ruft -da ein Abschleppen jetzt wegen des erwarteten baldigen Eintreffens eines Verfügungsberechtigten noch unverhältnismäßiger wäre- nochmals an und wird auf "in 2Min" vertröstet. Das Ende vom Lied ist, dass entweder der Abschlepper verspätet doch noch gerufen wird (längere Negativwirkung; Bindung der Überwachungskraft) oder der Fahrer mit seinen Einkäufen gemütlich aus dem Laden geschlendert kommt und sich über den preiswerten Parkplatz freut.
Go to the top of the page
 
+Quote Post
HaWeThie
Beitrag 16.10.2012, 07:44
Beitrag #11


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 6594
Beigetreten: 12.03.2004
Mitglieds-Nr.: 2251



Hi
a) beim Abschleppen ist es Grundvoraussetzung, dass eine Behinderung vorliegt
die Behinderung kann bei großen Parkdruck auch schon nach 5 min. vorliegen - ist halt vom Einzelfall abhängig
aa) keine Behinderung notwendig bei Behindertenparkplätzen
ab) keine Behinderung bei längerem Falschparken (die Geister (Rechtsprechung) differiert da zwischen und 3 Std.) Die "negative Vorbildfunktion" wurde ja schon genannt
b) kein Abschleppen, wenn der Aufenthaltsort des Fahrers bekannt ist und dieser ohne großen Aufwand direkt benachrichtigt werden kann
also
ba) Zettel mit Aufenthaltsort reicht nicht, wenn z.B. Kaufhaus und erst die Info gebeten werden müsste, den Fahrer auszurufen
bb) Zettel mit Handynummer reicht nicht, da Aufenthaltsort nicht bekannt
bc) Zettel mit Handynumer und Aufenthaltsort (in unmittelbarer Nähe) kann reichen; Es ist jedoch nur ein Anruf nötig - wenn besetzt oder Teilnehmer nicht rangeht: Pech für ihn
im Fall bc) geht die Behörde in Bezug auf das Falschparken jedoch regelmäßig von Vorsatz aus.

Grundsätzlich gilt in allen Fällen, dass es vom Enzelfall, vom Außendienstmitarbeiter, vom evtl. mitentscheidendem SB und notfalls vom Richter abhängt, wie entschieden wird.
Auf die hochgelobten Sendungen im TV würd ich mich nicht verlassen, bei dem Unsinn, der da manchmal verzapft wird (Egal ob Privat oder öR)

Gruß
haWeThie


--------------------
Alle Angaben ohne MG, Pistole und Gewähr
Go to the top of the page
 
+Quote Post
durban
Beitrag 16.10.2012, 11:47
Beitrag #12


Mitglied
********

Gruppe: Globaler Moderator
Beiträge: 19463
Beigetreten: 17.04.2005
Mitglieds-Nr.: 9339



Zitat (fahrtenbuchführer @ 15.10.2012, 22:36) *
Auch die negative Vordbildfunktion reicht allein hierzu nicht aus.


Das sehen die Gerichte durchaus ambivalent.

Das BVerwG sagt einerseits:
Zitat
Zur Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei dem Abschleppen von auf Gehwegen abgestellten Fahrzeugen stellt der Senat ausdrücklich klar, daß der bloße Verstoß gegen § 12 Absatz IV 1 StVO die Sicherstellung und das Vorgehen im Verwaltungszwang nicht ohne weiteres rechtfertigt.
(Urt. v. 14.5.1992),

andererseits hat es im Beschluss vom 20.12.1998 entschieden:

Zitat
Das Abschleppen eines auf dem Gehweg im Bereich eines absoluten Haltverbots während längerer Zeit (hier knapp 2 Stunden) parkenden Kfz ist mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit regelmäßig bereits dann vereinbar, wenn von dem verbotswidrigen Verhalten eine negative Vorbildwirkung für andere Kraftfahrer ausgehen kann.


Im letzteren Beschluss betont das BVerwG ganz deutlich, dass die generalpräventive negative Vorbildwirkung im Einzelfall ausreichen kann.
Diese Urteile sind ja aber alle etwas älter und die letzten Entscheidungen des BVerwG scheinen strenger zu sein.
Aber zumindest in Bayern orientiert man sich bis zuletzt am BayVGH, der die Auffassung vertritt:

Zitat
Die von einem solchen Pkw ausgehende negative Vorbildwirkung für andere Kraftfahrer rechtfertigt das Abschleppen auch im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von Zweck und Mittel. ... Es genügt schon die negative Vorbildwirkung, die nach einer allgemeinen Lebenserfahrung von einem verkehrswidrig abgestellten Fahrzeug auf andere Verkehrsteilnehmer ausgeht. Eine Abschleppmaßnahme ist in einem solchen Fall nicht unverhältnismäßig, sofern nicht besondere Umstände vorliegen.


So z.B. VG München v. 13.8.2008:
Zitat
Im Zeitalter des Massenverkehrs rechtfertigt darüber hinaus allein die negative Vorbildwirkung des Falschparkers das Abschleppen .


Die Quintessenz scheint mir folgende zu sein: Zur Begründung des Abschleppens darf die Behörde nicht einfach auf den Verstoß gegen die StVO verweisen, sondern muss darüber deutlich machen, weshalb dieser Verstoß Folgen hat, die das Abschleppen erforderlich machen.
Die Hürden sind hierbei aber nicht sonderlich hoch. Und dieser besondere Umstand kann auch in dem Parkverstoß begründet liegen.


--------------------
Proxima Estación: Esperanza.
Go to the top of the page
 
+Quote Post
johnny_cash
Beitrag 17.10.2012, 07:33
Beitrag #13


Neuling
**

Gruppe: Members
Beiträge: 26
Beigetreten: 15.10.2012
Mitglieds-Nr.: 65872



Vielen Dank!

Also besser immer richtig parken und möglichst nicht überziehen, wenn man auf der sicheren Seite sein will :-)
Go to the top of the page
 
+Quote Post
thetdk
Beitrag 17.10.2012, 13:44
Beitrag #14


Mitglied
*******

Gruppe: Members 1000+
Beiträge: 2213
Beigetreten: 06.03.2007
Wohnort: Aachen
Mitglieds-Nr.: 29273



Ich wäre da auch vorsichtig, nicht immer muss der Abschlepper erst kommen.

In Aachen fahren Überwachungskräfte teilweise durchaus auf den Abschleppwagen des Vertragsunternehmens mit.
Wenn der Abschleppwagen dann schon daneben steht, geht Abschleppen vielleicht doch schneller als Anrufen, selbst wenn Nummer und Aufenthaltsort draufstehen...

es grüßt

thetdk




--------------------
----------------------------------------------------------
Schon weil wir alle in einem Boot sitzen, ist es gut,
das wir nicht alle auf der gleichen Seite stehen
----------------------------------------------------------
Go to the top of the page
 
+Quote Post

Reply to this topicStart new topic
1 Besucher lesen dieses Thema (Gäste: 1 | Anonyme Besucher: 0)
0 Mitglieder:

 



RSS Vereinfachte Darstellung Aktuelles Datum: 29.03.2024 - 06:21