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Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr:

Bußgeldkatalog

Wenn eine schwerwiegendere Ordnungswidrigkeit vorliegt, bei der eine Verwarnung mangels Geringfügigkeit nicht erteilt werden kann, wird ein Bußgeldverfahren eingeleitet. Entsprechende Ordnungswidrigkeiten sind im Bußgeldkatalog im einzelnen aufgeführt. Typische Beispiele sind nicht geringfügige Geschwindigkeitsüberschreitungen, Verstoß gegen die 0,5 Promille-Grenze, Verkehrsverstöße auf Autobahnen usw.. Der Bußgeldkatalog bestimmt Regelsätze für die Höhe des Bußgelds und sieht für bestimmte Verstöße auch die Anordnung eines Fahrverbots vor. Die Regelsätze für Geschwindigkeitsüberschreitungen um 50 km/h oder mehr und die entsprechenden Regelfahrverbote wurden zuletzt mit Wirkung ab dem 01. Mai 2000 drastisch erhöht. Ein Regelfall liegt bei fahrlässiger Tatbegehung und normalen Tatumständen vor. Die Regelsätze können erhöht oder vermindert werden, wenn in einem konkreten Fall besondere Umstände vorliegen, die vom Regelfall erheblich abweichen. Bei einer vorsätzlich begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung wäre also der Regelsatz des Bußgelds in Abweichung vom Regelsatz zu erhöhen. Eine Erhöhung des Regelsatzes erfolgt in der Praxis auch regelmäßig, wenn bei dem Betroffenen bereits Eintragungen im Verkehrszentralregister vorliegen.

Bußgeldverfahren

Das Bußgeldverfahren ist aufwendiger als das Verwarnungsgeldverfahren. Im Bußgeldverfahren finden gemäß § 46 Absatz 1 OWiG grundsätzlich die Vorschriften über das Strafverfahren entsprechende Anwendung. Bußgelder haben in der Regel eine Höhe von mindestens 40,00 Euro. Ein entsprechender bestandskräftiger Bußgeldbescheid ist immer auch mit der Eintragung von mindestens einem Punkt in das Verkehrszentralregister (VZR) verbunden. Bußgeldbescheide mit einer Geldbuße von weniger als 40,00 Euro und ohne Punktbewertung kommen in der Praxis vor, wenn ein Verwarnungsgeldangebot nicht angenommen wird, und dann ein Bußgeldbescheid mit einer Geldbuße in Höhe des zunächst angebotenen Verwarnungsgelds ergeht.

Rechtliches Gehör

Sofern die zuständige Behörde ein Bußgeldverfahren einleitet, ist dem Betroffenen zunächst rechtliches Gehör zu gewähren, d.h. der Betroffene erhält Gelegenheit, zu dem gegen ihn erhobenen Vorwurf Stellung zu nehmen. Dies geschieht in der Regel durch Übersendung eines Anhörungsbogens. Die Anhörung kann auch im Rahmen einer Verkehrskontrolle oder am Unfallort erfolgen.

Es gehört zu den grundsätzlichen Prinzipien des Rechtsstaats, dass derjenige, dem ein Regelverstoß vorgeworfen wird, und gegen den deshalb ermittelt wird, die Gelegenheit erhält, sich zu dem Vorwurf zu äußern. Der Betroffene wird daher zu den Vorwurf angehört, dadurch wird sein im Grundgesetz verankertes Recht auf "rechtliches Gehör" verwirklicht. In der Praxis der Verkehrsdelikte erfolgt die Anhörung oft durch Übersendung eines Anhörungsbogens, in dem der Tatvorwurf konkret bezeichnet sein muß. In den unterschiedlich ausgestalteten Anhörungsbögen der einzelnen Bundesländer wird regelmäßig der Betroffene darauf hingewiesen, dass es ihm freisteht, sich zu dem Vorwurf zu äußern oder zu schweigen. Wenn ein Anhörungsbogen übersandt wird, sollte zunächst der Text des Schreibens genau daraufhin untersucht werden, ob der Empfänger der Täter sein soll ("Ihnen wird vorgeworfen...") oder ob möglicherweise eine Anhörung als Zeuge eines Vorfalls erfolgt. Die Rechtsstellung eines Betroffenen/ Angeklagten im Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren unterscheidet sich grundlegend von der Stellung des Zeugen. Der Betroffene kann schweigen, lügen oder von jedem etwas. Der Zeuge ist hingegen zu einer wahrheitsgemäßen Aussage verpflichtet, sofern nicht ein Zeugnisverweigerungsrecht besteht.

Sofern nicht ein Anhörungsbogen übersandt wird, wird der Betroffene oftmals schriftlich aufgefordert, zu einem angegebenen Termin bei der Polizei zu erscheinen, damit er dort befragt werden kann. Sofern bestimmte Sachen oder Unterlagen, z.B. das Tatfahrzeug oder der Führerschein des Betroffenen, für die Untersuchung von Bedeutung sind, wird der Betroffene aufgefordert, die Sachen zur Polizei mitzubringen. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass ein Betroffener nicht dazu verpflichtet ist, einer polizeilichen Ladung zu folgen, und in dem angegebenen Termin zu erscheinen.

Da die Anhörung des Betroffenen auf dessen Anspruch auf rechtliches Gehör zurückzuführen ist, besteht keine Verpflichtung des Betroffenen, sich zur Sache zu äußern. Dies gilt bei Anhörung mittels Anhörungsbogen ebenso wie für den Fall, dass der Betroffene persönlich angehört werden soll. Grundsätzlich sollte eine Stellungnahme zu dem Vorwurf einer Zuwiderhandlung immer wohlüberlegt erfolgen. Dies bedeutet, dass es grundsätzlich nicht zu empfehlen ist, sich noch am Ort des Geschehens, etwa am Unfallort oder am Ort einer Verkehrskontrolle, zu einem Vorwurf zu äußern. Bei Spontanäußerungen ist die Gefahr gegeben, dass sich der Betroffene durch die aus seiner Sicht möglicherweise "rettende" Sachverhaltsdarstellung noch zusätzliche Probleme für den weiteren Verlauf des Verfahrens selbst schafft. Es kann hingegen grundsätzlich nicht schaden, zunächst nichts zur Sache zu sagen. Eine Stellungnahme kann sinnvollerweise oftmals erst erfolgen, wenn der Ermittlungsstand und der Horizont der Verfolgungsbehörde bekannt sind, etwa nach erfolgter Akteneinsicht durch einen beauftragten Rechtsanwalt.

Akteneinsicht

Unter Akteneinsicht versteht man die Einsicht der Ermittlungsakte der Verfolgungsbehörde durch den Rechtsanwalt des Betroffenen. Die Akteneinsicht ist sehr wichtig, um das sinnvolle weitere Vorgehen in einem konkreten Verfahren zu planen. Grundsätzlich wird auch ein Rechtsanwalt erst eine Stellungnahme für seinen Mandanten abgeben, nachdem er die Ermittlungsakte eingesehen hat. Es kommt praktisch einem "Blindflug" gleich, wenn ohne Kenntnis der Ermittlungsakte eine Stellungnahme zur Sache abgegeben wird. Für die rechtliche Beurteilung eines Falles ist der Akteninhalt von ganz entscheidender Bedeutung. Oftmals besteht ein erheblicher Unterschied zwischen der subjektiven Wahrnehmung des Betroffenen und dessen Sachverhaltsschilderung einerseits und der "Aktenlage" andererseits. Mit einer vorschnellen Stellungnahme, die allein auf die subjektive Wahrnehmung des Betroffenen gestützt ist, wird dem Betroffenen daher regelmäßig nicht gedient. Denn der Betroffene steht nicht gut da, wenn sich ein erheblicher Widerspruch zwischen der eigenen Darstellung und der Darstellung des Geschehens in der Ermittlungsakte ergibt.

Bei Geschwindigkeits- und Abstandsmessungen sowie auch bei sonstiger Verkehrsüberwachung benutzt die Polizei verstärkt auch Videoaufzeichnungen, die dann als Beweismittel in späteren Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren herangezogen werden. Der Rechtsanwalt als Verteidiger hat auch einen Anspruch darauf, solche Videoaufnahmen einzusehen. In der Praxis wird der Rechtsanwalt sein Akteneinsichtsgesuch ausdrücklich auch auf etwaige Videoaufnahmen beziehen und eine Leerkassette beifügen. Die Behörde übersendet dann eine Kopie der Videoaufnahme des Tatgeschehens.

Bußgeldbescheid

Nachdem der Betroffene Gelegenheit zur Stellungnahme hatte und der Sachverhalt aufgeklärt ist, erläßt die Behörde einen Bußgeldbescheid, sofern ein entsprechender Ordnungswidrigkeitentatbestand verwirklicht wurde und eine Verfolgung geboten ist. Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Tat eine Straftat ist, so gibt die Verwaltungsbehörde die Sache an die Staatsanwaltschaft ab, § 41 OwiG.

Zusammentreffen Ordnungswidrigkeit/ Straftat

Ist eine Tat gleichzeitig Ordnungswidrigkeit und Straftat, so wird die Tat gemäß § 21 OwiG nur als Straftat verfolgt. Die Tat kann jedoch als Ordnungswidrigkeit geahndet werden, wenn eine Strafe nicht verhängt wird. Beispiele für das Zusammentreffen von Ordnungswidrigkeit und Straftat findet man z.B. im Bereich der Alkohol-Verstöße.

Text: RA Goetz Grunert, © verkehrsportal.de


 
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